Fruchtbares Land

Sri Lanka – Insel der Gegensätze

Reisen & Urlaub
30.01.2018 09:05

Von Palmenstränden bis zu Teeplantagen – eine horizonterweiternde Rundreise durch Sri Lanka.

Unser Guide Pem Wickramasinghe hat lange in Deutschland gelebt. Dort hat er nicht nur unsere Sprache gelernt, ganz im Gegensatz zu seinen Landsleuten ist für ihn auch „Stress“ kein Fremdwort. „Hier bei uns ist das Leben noch nicht hektisch“, sagt Pem und fügt hinzu: „Gott sei Dank!“ Die Gemütlichkeit, die man in Sri Lanka an den Tag legt, mag tatsächlich mit etwas Göttlichem zu tun haben: Denn 70 Prozent der Bevölkerung sind Buddhisten. Und die haben ja den Ruf in sich zu ruhen. In einem Schrein im Tempel der alten Hauptstadt Kandy wird ein Zahn Buddhas aufbewahrt. Für die Buddhisten ist die Reliquie ein Heiligtum. Den Affen, die auf dem Dach abfangen spielen, dass die alten Ziegel nur so klappern, scheint das egal zu sein. „Sie machen alles kaputt“, sagt Pem.

Vieles kaputtgemacht hat auch der Tsunami am Weihnachtstag 2004, bei dem in Sri Lanka 30.000 Menschen ums Leben kamen. Und der fast drei Jahrzehnte andauernde Bürgerkrieg, den tamilische Separatisten einst im Norden der Insel angezettelt haben und der seit 2009 zu Ende ist. Wenn unser Reiseführer davon erzählt, spricht immer noch die Sehnsucht nach Frieden aus ihm. Dem Land sei es wirtschaftlich lange nicht gut gegangen. Jetzt, seit ein paar Jahren, entwickelt sich der Tourismus wieder, vor allem im Süden des Landes.

Sri Lanka ist reich an Gegensätzen
„Es gibt immer mehr Dollarmillionäre“, erzählt Pem. Viele Menschen jedoch sind arm. Da es eine staatliche Fürsorge gibt, sind die Unterschiede zwischen Arm und Reich aber nicht so stark ausgeprägt wie im benachbarten Indien mit seinem Kastensystem. Menschen, die am Straßenrand verhungern, sieht man in Sri Lanka nicht. Dafür unzählige Hunde. Einige wenige tragen ein rotes Halsband. „Das sind die, die jemandem gehören“, erklärt Pem. Die anderen sind Streuner. Manche liegen seelenruhig mitten auf der Straße. Sie leben sehr gefährlich. Und nicht nur sie.

Die Sri Lanker fahren links – ein Überbleibsel der Kolonialzeit – und ohne Rücksicht auf Verluste. Statt zu bremsen, wird gehupt. Als uns ein Linienbus, der einen Lastwagen überholt, auf unserer Straßenseite entgegenkommt, halten alle im Reisebus den Atem an. Unser Fahrer verreißt im letzten Moment das Lenkrad, weicht auf das Bankett aus und verhindert so einen „Frontalen“. „Irgendwie scheint es sich immer auszugehen“, meint ein Mitreisender, als er sich von dem Schreck erholt hat. „Leider nicht immer“, sorgt der halsbrecherische Fahrstil auch beim Reiseführer – Buddhist hin oder her – für Kopfschütteln. Und es dauert nicht lange, und wir sehen tatsächlich einen Blechsalat am Straßenrand. „In Sri Lanka sterben viele Menschen bei Verkehrsunfällen“, sagt Pem.

Die Rundreise führt von der Hauptstadt Colombo über ehemalige Königsstädte, die Felsenfestung von Sigiriya, Nuwara Eliya, einem von den Engländern gegründeten Erholungsort für Kolonialbeamte im Hochland, zum Yala-Nationalpark und wieder zurück nach Colombo.

Wie überall in Asien, wimmelt es auf den Straßen von Sri Lanka nur so vor Tuk-Tuks. 1,7 Millionen dieser motorisierten Rikschas seien bereits auf der Insel unterwegs, meint Pem. Vor nicht allzu langer Zeit sei ein Gesetz in Kraft getreten, wonach nur noch über 35-Jährige eine Lizenz bekommen. „Zu viele Junge sahen im Taxifahren das schnelle Geld. Der Staat hält es für besser, wenn sie eine richtige Ausbildung machen.“

So belebt die Straßen untertags sind, so ausgestorben sind sie in der Nacht. Wegen der Nähe zum Äquator geht die Sonne in Sri Lanka früh unter. „Die meisten Leute gehen um 20 Uhr schlafen“, sagt Pem, „es gibt kein Nachtleben, auch nicht in den Städten.“ Wer früh schlafen geht, hat mehr vom Tag.

So unterschiedlich wie Tag und Nacht ist auch das Klima in der Tiefebene und im Hochland. Während es unten tropisch-schwül ist, braucht man oben eine warme Jacke. Als wir in Nuwara Eliya, auf knapp 2000 Metern Seehöhe, ankommen, hat es gerade einmal 15 Grad Celsius. Und es regnet. Kein Wunder, dass die Briten sich dort zu Hause fühlten. Die von ihnen im 19.Jahrhundert im englischen Landhausstil erbauten Häuser mit den schönen Gärten sind bis heute erhalten geblieben. Es gibt dort auch eine Pferderennbahn und einen 18-Loch-Golfplatz. Neueren Datums sind die Jetskis, mit denen man auf einem nahegelegenen See fahren kann. Sehenswert sind auch die Wasserfälle in der Gegend. Und natürlich die riesigen Teeplantagen.

Lanka bedeutet Insel, Sri fruchtbar. Dass der Boden des Eilands an der Südspitze des indischen Subkontinents ein guter ist, haben auch die englischen Kolonialherren erkannt. Sie waren es, die aus dem Hochland ein Teeanbaugebiet machten. Und Sri Lanka ist immer noch gut im Geschäft. Ceylon, wie das Land früher hieß, exportiert jedes Jahr 230 Millionen Kilo Tee in alle Welt. Auch 90 Prozent der weltweiten Zimt-Produktion kommen von dort.

Noch so ein Exportschlager Sri Lankas ist Ayurveda, die traditionelle Heilkunst. Der im vergangenen Jahr verstorbene frühere deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl, der mit seiner Familie jedes Jahr am Wolfgangsee in Österreich die Sommerferien verbrachte, sei mehrmals in Sri Lanka auf Kur gewesen, erzählt Pem stolz, als wir an einer Ayurveda-Klinik vorbeifahren. Das Hakenkreuz am Eingang hat mit Deutschland aber nichts zu tun: Es ist eigentlich eine Swastika, ein buddhistisches Glückssymbol.

Wenn man aus dem Fenster des Kleinbusses schaut, mit dem wir das Land erkunden, kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Man sieht überall Buddhastatuen (Selfies mit ihnen sind verboten). Man sieht Puppen mit Fratzen, die auf Baustellen hängen (laut Pem sollen sie böse Geister vertreiben). Man sieht Bauern, die knietief im Wasser stehen und mit Ochsen ihre Reisfelder pflügen (sie lassen sich für eine Zigarette gerne fotografieren). Man sieht außerdem Affen, die Straßenhändlern Bananen stibitzen, und Flughunde, die von Stromleitungen hängen, weil sie diese mit Ästen verwechselt haben und „gegrillt“ wurden. Immer wieder sieht man auch Elefanten – und hohe Elektrozäune, die sie fernhalten sollen von der Zivilisation. Und ab und zu sieht man Bäume, die jene nicht immer sanften Riesen in eben diese Zäune geworfen haben, um sie zu durchbrechen: Die Natur holt sich zurück, was der Mensch ihr nimmt.

Elefanten sollen sich bisweilen auch in die Lobby des Hotels Cinnamon Wild verirren, das sich mitten im Yala-Nationalpark befindet. Nach Einbruch der Dunkelheit darf man die Bungalows nur noch in Begleitung eines bewaffneten Wildhüters verlassen, schließlich soll es dort auch Leoparden und Wildschweine geben. Doch sie zeigen sich nur selten. Bedauerlicherweise auch bei den Safaris, die in dem 1260 Quadratkilometer großen Gebiet angeboten werden. Das könnte daran liegen, dass dort schon im Morgengrauen fast so viel Verkehr ist wie auf den Straßen von Colombo. Sobald sich ein wildes Tier blicken lässt, und sei es nur ein Pfau, kommen von allen Seiten die Jeeps mit den Touristen angefahren.

Wirklich beeindruckend ist Sigiriya, eine Festung auf einem Felsen, der 200 Meter aus der Ebene emporragt, rundherum nichts als Dschungel. Sie zählt zum Weltkulturerbe. Oben auf dem Plateau sieht man heute noch die Überreste des Löwentors, nach dem der Bau aus dem fünften Jahrhundert benannt ist. Von dem Löwen, durch dessen weit aufgerissenes Maul man in die Festung gelangte, sind heute nur noch die mächtigen Tatzen übrig. Er muss einschüchternd gewesen sein. Berühmt sind auch die „Wolkenmädchen“, Fresken von barbusigen Frauen unter einem Felsvorsprung auf halber Höhe. Die Sigiriya-Felsenfestung, die von Wassergärten umringt und Teil einer großen Stadt war, ging unter, geriet in Vergessenheit und wurde erst von den Engländern wiederentdeckt. Ein bisschen wie Sri Lanka von den Touristen.

Ernst Grabenwarter, Kronen Zeitung

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