ÖBB unter Beschuss

Skandal um Krankenstand-Daten weitet sich aus

Österreich
17.09.2009 12:04
Der frühere ÖBB-Personalchef Franz Nigl hat im Zusammenhang mit der Affäre rund um das Sammeln von Krankenstand-Daten der Eisenbahner Fehler eingestanden, das Vorgehen des Konzerns aber gleichzeitig verteidigt. "Wir haben hier Fehler begangen in der Vergangenheit, dafür möchte ich mich nochmals entschuldigen bei den Mitarbeitern", sagte Nigl am Mittwoch. Gleichzeitig betonte der im Juli abgelöste Manager aber, dass die ÖBB ein "Krankenstands-Problem" gehabt hätten: "Wir als Management vertreten auch den Eigentümer." ÖBB-Vorstandschef Peter Klugar wiederum beteuert, nichts über das Sammeln von Daten gewusst zu haben - dem wiederspricht jedoch auch Betriebsratschef Wilhelm Haberzettl...

Während ÖBB-Vorstandschef Peter Klugar am Mittwoch über einen Sprecher versichert hatte, nichts über das Sammeln von Krankenstand-Daten gewusst zu haben, betonte Nigl in der "ZiB 2", dass das Management Kenntnis über die Aktivitäten gegen den "Missbrauch von Krankenstand" gehabt habe. Auch die Belegschaftsvertretung habe vom Vorgehen des Managements gewusst.

Krankenstandstage pro Mitarbeiter von 27 auf 17 reduziert
Nigl betonte, man habe die durchschnittlichen Krankenstandstage pro Mitarbeiter in den letzten Jahren von 27 auf 17 reduzieren können. "Es war nicht das Ziel des Managements, strukturiert oder gesteuert Daten zu erfassen oder Mitarbeiter unter Druck zu setzen", versicherte Nigl. Es sei aber nicht auszuschließen, dass einzelne Mitarbeiter "über das Ziel hinausgeschossen haben".

Vorstandschef Klugar will nichts gewusst haben
Vorstandschef Klugar hatte zuvor über einen Sprecher ausrichten lassen, dass er nichts über das Sammeln von Krankenstands-Daten durch die Personalverantwortlichen der einzelnen Tochterunternehmen gewusst habe. "Klugar hatte damals (vor seiner Bestellung zum Holdingchef, Anm.) auch nicht die Kompetenz, eine Weisung zu geben, die Daten zu erheben", so der Sprecher am Mittwoch.

Betriebsratschef Haberzettl belastet Klugar
ÖBB-Betriebsratschef Wilhelm Haberzettl wiederum wirft Klugar vor, dieser habe sehr wohl von der Praxis gewusst. Laut Haberzettl haben alle für das Personal zuständigen Vorstände Bescheid gewusst, "die Datenerhebungsblätter tragen ihre Unterschriften". Klugar habe in seiner Rolle als früherer Infrastrukturvorstand davon gewusst.

Löschen der Daten als Vertuschungsaktion?
Im von den Medien kolportierten derzeit vorgenommenen Löschen der Daten sieht Haberzettl eine Vertuschungsaktion. Auf die Frage, ob es in den nächsten Wochen zu einer Rücktrittsforderung an den gesamten Vorstand kommen könnte, antwortet Haberzettl: "Ich würde es so formulieren: Keiner ist davor gefeit und keiner kann seine Hände in Unschuld waschen." Die ÖBB ist gerade dabei, eine Kommission ins Leben zu rufen, die die Erhebung und Speicherung bestimmt medizinisch-privater Daten untersuchen soll.

Dubiose bis ungesetzliche Praktiken
Wie das Nachrichtenmagazin "profil" in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, wurden körperliche Gebrechen, Verletzungen und ärztliche Befunde im ÖBB-Konzern in großem Stil erfasst und auf Anweisung von oben in allen Bereichen des Unternehmens zur Bewertung von Mitarbeitern herangezogen. Die dubiosen bis ungesetzlichen Praktiken reichen demnach von Hausbesuchen durch Vorgesetzte über Krankenstand-Rückkehrgespräche bis zu Formularen, in denen die Vorgesetzten eintragen mussten, woran ihre Mitarbeiter leiden.

Bures: "Menschlich und rechtlich nicht in Ordnung"
Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) hat am Donnerstag erklärt, das Sammeln von Krankendaten, wie es in den ÖBB praktiziert wurde, sei "menschlich und rechtlich nicht in Ordnung" - damit werde ein Menschenrecht verletzt. Über mögliche Konsequenzen wollte sie sich aber nicht äußern. Am Freitag werde die ÖBB-Untersuchungskommission einen Bericht über die Vorfälle vorlegen, bei dessen Erstellung auch die Personalvertreter, die die ursprünglichen Vorwürfe erhoben haben, eingebunden seien. Diesen Bericht wolle sie abwarten. Es stünden "starke Vorwürfe im Raum" so Bures zur möglichen Verantwortung des ÖBB-Vorstandes. Sie sei dafür, "alles restlos aufzuklären".

Von Vorgängen "natürlich nichts gewusst"
Bures "geht davon aus" dass in anderen staatsnahen Betrieben keine privaten Daten gesammelt würden. Alleine die aktuelle Diskussion um die ÖBB habe aber sicher die Sensibilität dafür geschärft, dass die Speicherung privater Daten "ein Menschenrecht verletzt". Sie selber habe "natürlich" nichts davon gewusst, dass Daten gesammelt wurden, denn "sonst hätte ich Schritte dagegen gesetzt". Wenn ein Unternehmen das Ziel habe Krankenstände zu reduzieren, dann gebe es dafür andere Maßnahmen, etwa Gesundheitsprogramme oder Ähnliches, regte Bures an. Über die Ursachen für die Krankenstände bei den ÖBB wollte sie nicht spekulieren: "Ich kenne die Diagnosen nicht - das steht mir auch nicht zu", sagte sie.

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