Katias Kolumne

Causa Schikaneder: Das Biertrinken als Politikum

Österreich
10.01.2018 11:55

Moderate Bierpreise, eine traditionsreiche Kinogeschichte, eine unkonventionelle Filmprogrammauswahl und ein studentisches, weltoffenes Publikum machen das älteste durchgängig bespielte Kino Wiens mit angeschlossener Bar aus. Das Schikaneder im Freihausviertel, von seinen Stammgästen auch liebevoll "Schiki" genannt, sieht sich selbst als Ort "der Kommunikation, Projektion, Audition, Vision, Kunstpräsentation und Getränkekonsumation". Umso erstaunlicher ist es, dass gerade dieser traditionsreiche und beliebte Betrieb in den vergangenen Tagen einem regelrechten Cyber-Shitstorm von links ausgesetzt war.

Grund dafür war die Ankündigung der Jugendorganisation der Volkspartei (JVP), im Schikaneder ihren jährlich stattfindenden Neumitgliederempfang zu veranstalten. Die Organisatoren seien schon lange Stammgäste des Lokals, deswegen fiel die Wahl auf das Schikaneder. Als der Veranstaltungsort – was eigentlich nicht geplant war – publik wurde, erntete das Lokal zahlreiche empörte Kommentare und politisch motivierte schlechte Bewertungen auf Facebook.

"Ekelhaft" und "echt org"
Begründet wurde der Unmut über die Lokalwahl der JVP mit Kommentaren wie: "Einer sexistischen, rassistischen, antisemitischen und behindertenfeindlichen JVP Raum zu bieten, ist echt das Letzte." Die Einmietung der JVP für ihr Neumitglieder-Event sei "ekelhaft" und "echt org", einige Social-Media-Diskutanten fordern, man solle "dieser braunen Brut“ und dem "elendigen elitären Rassistenmüll" keinen Raum geben. Ein Kommentar kündigt mehr oder weniger vielsagend an, dass es "krachen wird im Schikaneder ...", andere wiederum rufen zum Boykott auf.

Der Geschäftsführer des Lokals berichtet von Anrufern, die ihm den Tod wünschten, und seine Tochter sei von einem Passanten bespuckt worden. Zum groß angekündigten Protest zur Rückeroberung des Lokals traf schließlich nur eine Handvoll schlechtwetterfester Demonstranten auf rund 60 Polizisten, die mit einem höheren Zulauf gerechnet hatten. Selbstverständlich auf Kosten des Steuerzahlers.

Mei Bier is ned deppert
Wir lernen: Auch das Biertinken ist nun offensichtlich ein Politikum, auch die Lokalwahl hat bitteschön der politischen Gesinnung zu entsprechen, und der private Lokalbetreiber möge nur Geld von jenen nehmen, die vorab von der erbarmungslosen, linksextremen und somit moralisch scheinbar höherstehenden Cyber-Meute genehmigt wurden – Wirtschaftlichkeit hin oder her. Ansonsten macht er sich schuldig, schuldig und nochmals schuldig und ist gnadenlos mit der höchstmöglichen Schmach und dem wirtschaftlichen Boykott zu bestrafen – nach dem Motto "Hängt ihn höher", unabhängig davon, ob die Bestrafung tatsächlich tatangemessen ist.

Toleranz sieht allerdings anders aus. Denn genauso legitim wie die subjektive Kritik an der Lokalwahl der JVP ist auch die Junge ÖVP selbst. So einfach es auch klingen mag: Wer Toleranz von anderen einfordert, muss auch tolerant gegenüber anderen Meinungen sein, solange sie im rechtlichen Rahmen Platz finden. Der Toleranzbegriff darf und kann nicht nur einseitig für jene exklusiv gepachtet sein, die sich selbst das goldene Abzeichen des moralisch scheinbar Überlegenen – oder anders gesagt: des "Guten" – an die Brust heften. Der moralische Maßstab hat jedenfalls für alle gleich zu gelten.

Katia Wagner

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