Fledermaus-Fresser

In der Not frisst die Meise Fledermäuse

Wissenschaft
09.09.2009 11:13
Eigentlich ernähren sie sich von Insekten, Samen oder Beeren. Doch in besonders harten Wintern, wenn die Schneedecke geschlossen ist, bessern sich Kohlmeisen ihren Speiseplan auch gerne mit Zwergfledermäusen auf, wie Forscher des Max-Planck-Instituts für Ornithologie im bayerischen Seewiesen berichten.

Wie die Forscher um Björn Siemers während zwei Wintern im Nordosten Ungarns beobachten konnten, flogen die Kohlmeisen insgesamt 18-mal in eine Höhle, um dort überwinternde Zwergfledermäuse zu suchen und zu fressen. Die Forscher erklären dieses Verhalten mit einer extremen Notsituation bei der Nahrungssuche. Denn Kohlmeisen fressen im Sommer Insekten oder Spinnentiere und suchen im Winter eigentlich nach Samen oder Beeren. Im Nordosten Ungarns können aber harte Winter mit einer geschlossenen Schneedecke herrschen.

Fledermäuse verraten sich mit Abwehrlauten
Die untersuchte Höhle hat einen großen Eingang, sodass etwas Licht in die Höhle fällt und sich die Meisen im Halbdunkeln noch orientieren können. In der Höhle finden die Vögel die Fledermäuse möglicherweise durch Laute, welche die im Winterschlaf gestörten Tiere beim Aufwachen ausstoßen. Die Laute reichen vom menschlichen Hörbereich bis hinein in den Ultraschall. Dass sie auch im hörbaren Bereich der Vögel liegen, zeigten die Forscher, indem sie den Meisen die Fledermauslaute vorspielten, woraufhin sich die Vögel interessiert dem Lautsprecher zuwandten.

"Es sind vermutlich Laute, die der Abwehr dienen sollen", so Björn Siemers, "aber es erscheint möglich, dass sie von den Meisen zum Orten der Fledermäuse genutzt werden." Die Meisen benötigten höchstens eine Viertelstunde vom Eindringen in die Höhle bis zum Erbeuten einer Fledermaus. Teilweise trugen sie die Fledertiere in ihrem Schnabel aus der Höhle heraus und fraßen sie auf Bäumen in der Nähe der Höhle.

Flexible Anpassung an Futterangebot
Dieses Verhalten ist allerdings stark vom vorhandenen Nahrungsangebot abhängig. Als die Forscher wenige Meter vor dem Höhleneingang zusätzliches Futter in Form von Sonnenblumenkernen und Speck anboten, holte sich nur mehr eine einzige Kohlmeise eine Fledermaus. "Verhaltensflexibilität, gepaart mit veränderten Gegebenheiten der Umwelt, zum Beispiel Nahrungsengpässen, kann erstaunliche Neuerungen im Tierverhalten hervorbringen", schlussfolgert Siemers.

Dieses innovative Verhalten ist kein Einzelfall und wird wahrscheinlich von Generation zu Generation weitergegeben. Bereits vor zehn Jahren konnten Forscher eine Fledermaus fressende Kohlmeise in dieser Höhle beobachten und auch in Polen wurde von solchen Vorfällen berichtet. "Dies könnte entweder für eine kulturelle Weitergabe zwischen verschiedenen Populationen sprechen oder für eine unabhängige Entwicklung an verschiedenen Orten aufgrund gleicher ökologischer Gegebenheiten", fasst Björn Siemers zusammen.

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