Kein Ende der Proteste

Krawalle und Tote: Druck auf Irans Regime wächst

Ausland
01.01.2018 15:24

Bei den andauernden regimekritischen Protesten im Iran sind nach Angaben des Staatsfernsehens über 20 Menschen ums Leben gekommen. Es sind die größten Proteste seit der gewaltsam unterdrückten Bewegung gegen die Wiederwahl des damaligen Hardliner-Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad im Jahr 2009. Der aktuelle Unmut richtete sich anfangs vor allem gegen die hohe Arbeitslosigkeit, Korruption und Preissteigerungen, bald aber auch gegen die Führung des Landes. Ein Appell von Staatschef Hassan Rouhani konnte die Demonstranten nicht besänftigen, fortgesetzte kritische Tweets von US-Präsident Donald Trump fachen die Unruhen weiter an. Das Regime in Teheran gerät nun immer mehr unter Druck.

In der westiranischen Stadt Tuyserkan starben sechs Menschen durch Schüsse, wie das Staatsfernsehen am Montag berichtete. In der Kleinstadt Iseh im Südwesten des Landes wurden zwei weitere Menschen erschossen. In der westlichen Stadt Dorud starben ein Jugendlicher und ein Mann, die von einem von Demonstranten gestohlenen Feuerwehrwagen überrollt wurden. In Dorud waren bereits am Samstagabend zwei Menschen bei Krawallen getötet worden. Die genauen Hintergründe zu fast allen Todesfällen sind unklar - so ist etwa nicht bekannt, ob Polizisten oder Demonstranten die Schüsse abfeuerten.

Zudem sagte ein Polizeisprecher am Montagabend gegenüber dem staatlichen Fernsehen, ein Demonstrant habe bei gewalttätigen Auseinandersetzungen in der zentraliranischen Stadt Najafaband mit seinem Jagdgewehr auf Sicherheitskräfte gezielt und dabei einen Polizisten getötet. Drei weitere Beamte seien verletzt worden. Doch auch hier ging aus der Meldung nichts Genaueres hervor, etwa wann sich der Vorfall ereignete. Am Dienstagmorgen wurde die Meldung schließlich korrigiert, bei dem getöteten Beamten hatte es sich um einen Revolutionswächter und nicht um einen Polizisten gehandelt, wie das staatliche Fernsehen berichtete. Die Revolutionswächter sind Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden, einer paramilitärischen Organisation zum Schutz des Systems.

Erneut Unruhen in Teheran und anderen Städten
Die seit Donnerstag andauernden regimekritischen Proteste gingen nach Angaben des Staatsfernsehens auch in der Nacht auf Montag weiter. In mehreren Städten protestierten wieder Tausende gegen die Führung des Landes, so auch in der Hauptstadt Teheran. Nach Augenzeugenberichten griff die Polizei in verschiedenen Teilen der Metropole mit Wasserwerfern und Tränengas ein, um die Proteste aufzulösen. Demnach waren zwischen den Demonstranten auch Krawallmacher, die Sachschäden anrichteten und Autos in Brand setzen wollten. In Teheran waren zuletzt rund 200 Menschen verhaftet worden, landesweit soll es nach nicht verifizierten Berichten bis zu 800 Festnahmen gegeben haben.

Keine konkreten Lösungsvorschläge von Rouhani
Am Sonntagabend war Präsident Rouhani in seiner ersten Reaktion auf die Proteste zwar auf die Kritiker zugegangen und bezeichnete in einer Rede Protest als ihr legitimes Recht, er präsentierte aber keine konkreten Lösungsvorschläge. Rouhani rief die Regimekritiker lediglich dazu auf, ihre Demonstrationen über legale Kanäle zu beantragen. Dann würde es nach seinen Worten auch nicht zu gewalttätigen Ausschreitungen und Polizeieinsätzen kommen.


Dieser Vorschlag wurde von den Demonstranten allerdings als Rhetorik zurückgewiesen. Das Innenministerium würde nach Meinung vieler Iraner niemals Anträge auf Protestversammlungen genehmigen, die nur ansatzweise Kritik am islamischen Establishment üben würden. In der Tat erlaubt das Ministerium nur vom System genehmigte Proteste, die sich dann meistens gegen die politischen Erzfeinde USA oder Israel richten. 

"Die Regierung hat nicht alles unter ihrer Kontrolle"
In einer eigens wegen der Proteste einberufenen Krisensitzung im iranischen Parlament am Montag wurde Rouhani dann doch konkreter: "Die Probleme der Menschen sind nicht nur wirtschaftlicher Natur, sondern sie fordern auch mehr Freiheiten", sagte er. Er kritisierte damit indirekt die Hardliner, die die Umsetzung seiner politischen und kulturellen Reformen blockieren. "Die Regierung hat nicht alles unter ihrer Kontrolle", so Rouhani, der als Präsident bei vielen strategischen Belangen nicht immer das letzte Wort hat und sich dem erzkonservativen Klerus beugen muss.

"Eiserne Faust der Nation" angedroht
Innenminister Abdolreza Rahmani Fazli jedenfalls hatte die Demonstranten bereits gewarnt, wer die Ordnung störe, werde "dafür bezahlen". Und der Vizesicherheitschef der Revolutionären Garden in Teheran, Esmail Kowsari, sagte, die Protestierenden würden "die eiserne Faust der Nation" zu spüren bekommen, sollte es zu weiteren Unruhen kommen.

"Konterrevolutionäre Kräfte" im Ausland?
Da die staatlichen iranischen Medien über die derzeitigen Proteste kaum berichten, werden viele Nachrichten lediglich über soziale Netzwerke verbreitet, eine neutrale Verifizierung der Ereignisse ist daher fast unmöglich. Überdies wurde der Zugang von Handys zu Instagram und dem Messenger-Dienst Telegram vom Regime zeitweise gesperrt. Die Regierung wirft "konterrevolutionären Kräften" im Ausland vor, die Anti-Regierungs-Proteste über die sozialen Netzwerke anzustacheln.

Trump setzt Kritik fort: "Zeit für einen Wechsel!"
Passend dazu hat US-Präsident Donald Trump am Neujahrstag seine seit Tagen über Twitter geübte Kritik an der iranischen Führung fortgesetzt. Er schrieb, das "große iranische Volk" sei über Jahre unterdrückt worden. Es hungere nach Essen und Freiheit. Menschenrechte und Wohlstand des Landes seien geplündert worden. Der Iran scheitere auf allen Ebenen - mit Ausnahme des "schrecklichen" Atom-Deals, den die Regierung Barack Obamas vereinbart habe. Seinen Tweet beendete Trump mit den Worten: "Zeit für einen Wechsel!"

Bereits am Wochenende hatte Trump das iranische Regime mehrfach aufgefordert, die Rechte der Bürger auf freie Meinungsäußerung zu respektieren. Die USA verurteilten die Festnahme friedlicher Demonstranten scharf. Die Führung in Teheran habe "ein Land mit einer reichen Geschichte und Kultur in einen Schurkenstaat im Niedergang verwandelt, der vor allem Gewalt, Blutvergießen und Chaos exportiert".

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