Minister Faßmann

Übernehmen Sie ein Himmelfahrtskommando?

Politik
23.12.2017 06:45

Der neue Minister für Kindergärten, Bildung und Wissenschaft Heinz Faßmann (62) spricht mit Conny Bischofberger über Schulnoten und Religionsunterricht, seine Größe (2,03 Meter) und die Politik der kleinen Schritte.

Er betont Kaffee schon längst nicht mehr auf der ersten Silbe und klingt auch sonst schon fast wie ein Österreicher: Heinz Faßmann, gebürtiger Düsseldorfer, ist der neue Bildungsminister im Kabinett Kurz-Strache. Der 62-jährige Universitätsprofessor fällt durch eine äußerst präzise und unaufgeregte Sprache auf. Und durch seine stattliche Größe. Ein freundlicher Riese, der beim Lachen gerne Zähne zeigt. Bevor das Interview losgeht, will er noch schnell etwas korrigieren. „Ich bin nicht zwei Meter sieben groß, wie einige Medien berichtet haben, sondern nur zwei Meter drei.“ Auf Augenhöhe kann man sich mit Faßmann deshalb nur im Sitzen unterhalten.

„Krone“: Herr Faßmann, Sie unterscheiden sich maßgeblich von allen anderen Regierungsmitgliedern. Erstens sind Sie Deutscher, und zweitens sind Sie ein Riese. Was ist schlimmer?
Heinz Faßmann: Ich empfinde beides nicht als außergewöhnlich. In die Größe wächst man hinein – es bleibt einem ja auch nichts anderes übrig –, und obwohl ich in Deutschland geboren bin, ist Österreich meine emotionale Heimat. Ich lebe ja auch schon seit 1962 hier. Ich bin gut eingebürgert. (lacht.)

Was ist das Dümmste, was Sie sich zu Ihrer Körpergröße je anhören mussten?
Viel fällt den Leuten nicht ein. Die meisten fragen: Wie ist die Luft da oben? Ich antworte dann: Genauso wie bei Ihnen unten.

Sie gelten, seit der jetzige Kanzler Integrations-Staatssekretär wurde, als der Mann, auf den Kurz hört. Wie ist er ursprünglich auf Sie gekommen?
Die Frau Minister Fekter hat mich damals zum Vorsitzenden des Expertenrates für Integration berufen. Staatssekretär Kurz konnte daher auf diese Struktur zugreifen. Daraus hat sich sicher so etwas wie gegenseitiges Vertrauen und eine hohe Wertschätzung ergeben.

Was schätzt Sebastian Kurz an Ihnen besonders?
Vielleicht meine Sachlichkeit, vielleicht auch der Versuch, immer über den Dingen zu stehen. Das hängt möglicherweise auch mit der Körpergröße zusammen. Sich nicht gleich verstricken lassen in emotionale, ideologisch besetzte Diskussionen.

Und umgekehrt?
Umgekehrt schätze ich sein ungeheures politisches Talent, auch sein Sensorium für das, was für die Menschen wichtig ist. Aber auch seine Fähigkeit, bestimmte Dinge strategisch durchzusetzen. Der Wahlkampf und auch die Transformation der ÖVP ist schon eine sehr beachtenswerte Leistung.

Haben Sie nach dem Wahlsieg geahnt, dass das auf Sie zukommen könnte: ein Ministeramt?
Eine gewisse Wahrscheinlichkeit habe ich im Inneren verspürt.

Wie viel Prozent?
Schwierig numerisch zu fassen. Aber deutlich unter 50.

Haben Sie es gehofft?
Mir war klar, dass die Übernahme eines solchen Amtes eine ernsthafte und konsequenzenreiche Entscheidung ist. Plötzlich wird das Private auch zum Politischen und das ruhigere Leben – obwohl das Leben eines Vizerektors gar nicht so ruhig ist – wird nochmals unruhiger. Die Frage nach der Hoffnung ist deshalb nicht ganz die richtige.

Was ist durch Ihren Kopf gegangen, als das Angebot kam?
Ich habe es mir überlegt. Einige Tage. Von meiner Frau kam eher Zustimmung. Sie meinte: „Du kannst das und du solltest das machen.“ Für mich war die Transformation des eigenen Lebens in die Öffentlichkeit ein Punkt, der mir zu denken gegeben hat.

Vom Kindergarten über alle Schulen bis hin zur Uni sind Sie jetzt der Mann für die Bildung in diesem Land. Übernehmen Sie ein Himmelfahrtskommando?
Das ist ein schwieriges Kommando, weil grad der Bildungsbereich sehr stark emotional besetzt ist. Jeder hat oder hatte etwas mit Schule zu tun - und es ist genau wie beim Fußball, da gibt es sehr viele Trainer und bei der Schule gibt es sehr viele Schulmeister. Ich habe mir vorgenommen, ein bisschen mehr Rationalität in die Schuldiskussion zu transportieren.

All ihre Vorgängerinnen und Vorgänger sind letztlich immer an Strukturen gescheitert, die in Österreich nicht so leicht zu verändern sind. Was lässt Sie hoffen, dass es nicht wieder so sein wird?
Die Tatsache, dass ich mir gar nicht vornehme, das österreichische Schulsystem komplett umzubauen. Das erscheint mir auch irreal zu sein. Man muss froh sein, wenn es gelingt, Schritte zu setzen. Schritte in die richtige Richtung. Ich will mir die Latte nicht zu hoch legen, weil sonst die Überforderung, aber auch die Enttäuschung, zu groß sind, wenn man es nicht erreicht. Im österreichischen Schulsystem kann man nur eine Politik der kleinen Schritte anwenden.

Haben Sie schon Angst vor der Lehrergewerkschaft?
Aber nein. Ich habe ja an der Universität auch viel mit den Personalvertretern diskutiert, ich kenne manche Gewerkschafter auch persönlich, weil sie selbst Lehrer von meinen Kindern waren. Das sind alles vollkommen normale Menschen, die das Beste für ihre Klientel erreichen wollen. Am Ende muss nur eins klar sein: Jeder muss von seiner Position ein klein wenig Abstand nehmen.

Trauen Sie das der Gewerkschaft zu?
Warum nicht? Klar, sie ist ein mächtiger, geübter Interessensverband. Man muss sich mit ihr auseinandersetzen. Sie ist ein Faktor in der österreichischen Bildungspolitik, da führt auch gar kein Weg vorbei. Wichtig ist: Sie ist kein Gegner.

Was setzen Sie dieser Macht entgegen?
Die Kraft der Rationalität, gemeinsam das Schulsystem an die Zeit anzupassen, schrittweise zu verändern und zu reformieren.

Hilft da die Größe?
Vielleicht, ja! Und Gelassenheit.

Welche Note von „Sehr gut“ bis „Nicht genügend“ würden Sie dem Bildungsprogramm dieser Regierung geben?
Ich würde dem eine verbale Beurteilung geben.

Obwohl Sie für die Wiedereinführung von Schulnoten sind …
Ja. (Lacht.) Aber die verbale Beurteilung würde lauten: Detailliert, in manchen Bereichen auch sehr gut umsetzbar.

„Inhaltsleer und undurchdacht“ hat die Frau das Paket genannt, die noch vor Kurzem hier in diesem Büro die Chefin war – Ex-Bildungsministerin Sonja Hammerschmid, SPÖ. Ärgert Sie so was?
Nein, gar nicht. Das verstehe ich aus einer politischen Haltung heraus. Das geht ja gar nicht anders. Man muss das, was nach einem kommt, schlecht beurteilen. Wenn man mit ihr persönlich darüber spricht, hat Frau Hammerschmid eine weit differenziertere Meinung.

Ein Hauptvorwurf lautet: Alles geht nach rückwärts. Ist Ihr Bildungsprogramm ein Retro-Programm?
Was vorwärts und rückwärts und was retro ist, ist relativ. Was für die einen retro ist, ist für die anderen fortschrittlich. Das ist diese typische ideologisierte Debatte, der ich wenig abgewinnen kann.

Zurück zu Schulnoten, noch mehr Druck auf die Kinder: Würden Sie sagen, das ist fortschrittlich?
Das ist doch eine Scheindebatte. Weil Druck haben die Kinder in einem begrenzten Ausmaß ja ohnehin. Ob bei der verbalen Beurteilung oder bei der Notenschreibung. Vorgesehen ist, dass man neben der Note auch weiterhin eine verbale Beschreibung machen kann. Also wo ist eigentlich das Problem?

Wie ist es bei verpflichtenden Deutschkenntnissen? Steckt man Kinder da nicht in eine Schublade, statt sie zu integrieren?
Fehlt nur noch, dass man „Ghettoklassen“ sagt. Das ist auch so eine emotionalisierte Debatte. Was wollen wir? Wir wollen, dass Kinder, wenn sie in die Volksschule kommen, nicht sofort Startnachteile haben. Das ist, glaube ich, eine vollkommen überzeugende und rationale Position. Unser Plan ist: Wir vermitteln ihnen so viel Deutschkenntnisse, dass sie dem Unterricht folgen können, wir machen das so kurz wie möglich, und wir machen es auch eingebunden in den Unterricht.

Wird alles ein bisschen strenger jetzt? Sanktionen für Eltern, die ihre Kinder nicht in die Schule schicken, deuten darauf hin.
Ich bin ein Sanktionsrealist. Man kann nicht alles nur durchs gute Zureden erreichen, man muss auch manchmal Sanktionen setzen. Aber man kann auch nicht alles durch Sanktionen regeln. Die Intention, Eltern in die schulische Erziehungsarbeit einzubinden, ist sehr vernünftig. Auch Eltern zu bitten, in die Schule zu kommen, wenn es Probleme gibt. Wenn Sie so wollen: Vielleicht wird es ein bisschen strenger, aber auch das ist eine relative Positionierung.

Wie würden Sie es bezeichnen wollen?
Als stärkere Verbindlichkeit, vielleicht auch als stärkere Vergleichbarkeit von Schulleistungen.

Sollen Lehrerinnen weiterhin Kopftuch tragen dürfen?
Lehrerinnen außerhalb des bekenntnisorientierten Unterrichts sollten sich in einem säkularen Staat auch so verhalten und der Religion nicht den vorrangigen Platz einräumen.

Das heißt, in öffentlichen Schulen Nein?
Es ist nicht meine vorrangige Intention. Aber ja, meine Meinung ist: Da würde ich um Zurückhaltung ersuchen, um Respekt vor dem säkularen Staat.

Und das würde dann auch für Barmherzige Schwestern gelten?
Nicht wenn sie in Privatschulen sind. An öffentlichen Schulen schon, aber wie gesagt, das ist alles nicht vorrangig.

Die Kirche hat das Bildungskapitel im Regierungsprogramm sehr begrüßt. Der für Schulen zuständige Bischof meinte, Sie hätten ein Sensorium für religiöse Bildung. Was muss man sich darunter vorstellen?
Herzlichen Dank dafür! Österreich ist ein religionsneutraler, aber auch ein religionsfreundlicher Staat. Wir schieben die Religion nicht so wie in Frankreich völlig aus dem öffentlichen Bereich hinaus. Und das halte ich für einen guten Weg. Die Freundlichkeit und die Neutralität. Freundlichkeit heißt, dass es an öffentlichen und privaten Schulen Religionsunterricht gibt. Diese religiöse Bildung, die auch für eine ethische Grundlage der nächsten Generation sorgt, ist zu begrüßen.

Warum ist Ethikunterricht für Kinder wichtig?
Damit Kinder vermittelt bekommen, was aus der Perspektive Österreichs, aber auch Europas und der aufgeklärten westlichen Welt Gut und Böse ist.

Kreuze im Klassenzimmer, sollen die hängen bleiben?
Ich habe nicht vor, etwas zu ändern.

Herr Faßmann, Sie sind auch Wissenschaftsminister. Was muss Österreich tun, um den Wissenschaftsstandort zu stärken?
Ich bin sehr froh, dass dieser Bereich auch in mein Ressort gewandert ist, weil Wissenschaft für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Weiterentwicklung sehr wichtig ist. Die Vision, dass Österreich ein leistungsfähiges Land ist, mit einer exportorientierten Wirtschaft als Träger des Wohlstandes, und daraus resultierend auch genügend Ressourcen, um diesen sozialen Wohlfahrtsstaat zu finanzieren, das sind ganz wesentliche Ziele. Dafür kann die Wissenschaft einen Beitrag leisten. Um einen österreichischen Braindrain …

Braindrain?
… um die Abwanderung der Hochqualifizierten zu verhindern, müssen wir sicherlich einen langfristigen Finanzierungspfad für den Wissenschaftssektor entwickeln. Was wollen wir erreichen? Mit welchen Forschungsförderungen? Zielorientiertheit ist ganz wesentlich.

Wenn Sie zurückblicken in Ihre Schulzeit, was hat Sie da besonders geprägt?
Eigentlich der Sport. Ich hätte ein besserer Schüler sein können, insbesondere in Latein, aber ich habe damals sehr viel Basketball gespielt und der Sport war eine ordentliche Konkurrenz zum schulischen Alltag.

Bei Ihrer Größe nicht verwunderlich.
Nicht verwunderlich. Ich habe relativ jung schon in der Bundesliga gespielt. Vier-, fünfmal pro Woche hatten wir Training.

Welcher Verein?
Das war damals „Milde Sorte“, insgesamt habe ich mehr als 20 Jahre dort gespielt. Da erinnere ich mich wieder, dass wir bei der Weihnachtsfeier immer eine Packung Zigaretten bekommen haben. (Lacht.) Ich habe trotzdem nie zu rauchen begonnen. Deshalb habe ich meine Tschick den Freunden weitergeschenkt.

Was soll man einmal über Heinz Faßmann einmal sagen?
Vernünftiger Minister. Wollte nicht die Welt aus den Angeln heben. Hat aber für Schüler und Schülerinnen, Lehrer und Lehrerinnen und auch für die Eltern das Beste gewollt und manches davon auch erreicht.

SEINE FRAU IST AHS-LEHRERIN
Geboren am 13.8.1955 in Düsseldorf. Studium der Geografie, Wirtschafts- und Sozialgeschichte in Wien. 1996 wird Faßmann Professor an der TU München, seit 2000 arbeitet er in Wien, zuletzt als Vizerektor der Universität, zuständig für Forschung und Internationales. Als Sebastian Kurz Integrations-Staatssekretär wurde, ließ er sich von Faßmann, der anerkannter Migrationsexperte ist, beraten. Verheiratet mit Sigrid (AHS-Lehrerin), zwei erwachsene Kinder. Jürgen ist 30, Christine 27 Jahre alt. Das Paar lebt in Perchtoldsdorf, NÖ.

Conny Bischofberger, Kronen Zeitung

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