Endlich angelobt

Claudia Bandion-Ortner neue Justizministerin

Österreich
16.01.2009 12:13
Mit über einem Monat Verspätung ist Claudia Bandion-Ortner am Donnerstag als Justizministerin angelobt worden. Die parteifreie Richterin zieht damit auf einem ÖVP-Mandat in die Regierung ein. Pünktlich um 11.00 Uhr enthob Bundespräsident Heinz Fischer Wissenschaftsminister Johannes Hahn, der das Justizressort seit Dezember interimistisch geleitet hatte, des Amtes und vereidigte Bandion-Ortner als neue Ressortchefin. Begleitet wurde die ehemalige BAWAG-Richterin von Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Josef Pröll, sowie von ihren beiden Schwestern und Ehemann Andreas Bandion. Als erste Amtshandlung holte Bandion-Ortner BAWAG-Staatsanwalt Georg Krakow in ihr Team.

Eigentlich hätte die gebürtige Grazerin bereits mit dem restlichen Kabinett Faymann I am 2. Dezember angelobt werden sollen, weil sie das Urteil im BAWAG-Prozess noch fertigschreiben musste, übernahm vorerst Hahn die Agenden im Justizressort.

"Lassen Sie sich überraschen"
Nach nicht einmal fünf Minuten war die Zeremonie in der Hofburg bereits vorbei und die Ernennungsurkunden durch Fischer, Faymann und die neue Ministerin unterzeichnet. Der Bundespräsident wünschte Bandion-Ortner noch "alles Gute und viel Erfolg", bevor er sich zu einer knapp 20-minütigen Besprechung mit der Justizministerin und der Regierungsspitze zurückzog.

Bandion-Ortner, die bei der Angelobung noch leicht nervös wirkte, sagte im Anschluss, ihre neue Rolle sei "noch gewöhnungsbedürftig". Sie freue sich aber sehr über die neue Aufgabe, verkündete die neue Ministerin, und wolle nun "mit voller Kraft voran gehen". Es gelte, ein "anspruchsvolles Regierungsprogramm" und viele eigene Ideen umzusetzen. In einer Reihe mit der früheren Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky, die anfangs noch als bunter Vogel gefeiert wurde, bald aber wegen allzu offenherziger Homestories kritisiert wurde, will sich Bandion-Ortner nicht stellen lassen: Wer sie kenne, wisse, dass sie eine engagierte Persönlichkeit sei, die hart und rasch arbeite, betonte die Neoministerin, "lassen Sie sich überraschen".

Schon Zugriff auf Kinderpornos soll bestraft werden
Auch in Sachen Rechtsvorhaben äußerte sie sich. Bandion-Ortner möchte demnach schon den wissentlichen Zugriff auf Kinderpornografie unter Strafe stellen (und nicht nur Weitergabe und Speicherung). Außerdem will sie die eingetragene Partnerschaft für Homosexuelle bis Jahresende umsetzen. In den Budgetverhandlungen will sie für eine ausreichende Ausstattung ihres Ressorts "kämpfen", zeigt aber auch Sparwillen: Sie will durch die Umschichtung von Aufgaben "intern Ressourcen freilegen".

BAWAG-Staatsanwalt wird Büroleiter
Als eine ihrer ersten Amtshandlungen machte die neue Justizministerin den Staatsanwalt im BAWAG-Prozess, Georg Krakow, zu ihrem Büroleiter. Somit führen Richterin und Ankläger im politisch heiklen BAWAG-Prozess gemeinsam das Justizressort. Eine schiefe Optik sieht Bandion-Ortner darin nicht, wie sie betont. Krakow sei objektiv, sachlich äußerst kompetent, pflichtbewusst und kenne die Abläufe im Ministerium. "Er hat dort mehrere Jahre gearbeitet und das ist sehr wertvoll für mich", so die Ministerin.

FPÖ sieht in Krakow-Berufung "Affront"
Scharfe Kritik an der Bestellung von Krakow zum Büroleiter kommt von der FPÖ. Abgeordneter Werner Neubauer spricht von einem "Affront". Er wirft Krakow vor, 2006 "illegale Ermittlungen" des Büros für Interne Angelegenheiten gegen den früheren SPÖ-Kanzler Franz Vranitzky in Auftrag gegeben zu haben. Im BAWAG-Untersuchungsausschuss rechtfertigte Krakow die Befassung des BIA mit dieser Angelegenheit damit, dass er undichte Stellen in Polizei oder Justiz vermutet habe und ein Durchsickern der Ergebnisse im Wahlkampf 2006 vermeiden wollte.

Bei den Ermittlungen ging es um eine 72.000 Euro-Zahlung von BAWAG-Spekulant Wolfgang Flöttl an Vranitzky. Neubauer kritisiert, dass das BIA keine Kompetenz für diese Ermittlungen gehabt habe und vom zuständigen Sektionschef nicht dazu ermächtigt gewesen sei. "Krakow disqualifiziert sich durch diese Verhaltensweise als Kabinettschef in einem sensiblen Ressort", so Werner Neubauer. Freundlichere Töne schlug FPÖ-Justizsprecher Peter Fichtenbauer an: Er gratulierte Bandion-Ortner zur Angelobung und wünschte ihr viel Erfolg für die Budgetverhandlungen.

Strafrechtler Fuchs sieht nur politisches Problem
Der Strafrechts-Experte Helmut Fuchs glaubt nicht, dass das BAWAG-Urteil wegen des Wechsels von Richterin Claudia Bandion-Ortner und Staatsanwalt Georg Krakow in die Politik gefährdet sein könnte. Dass die Verteidiger der verurteilten Manager damit beispielsweise die Befangenheit des Gerichts argumentieren könnten, hält er für unwahrscheinlich. "Da müssten schon konkrete Anhaltspunkte vorliegen", sagt Fuchs. Allerdings sieht er das Engagement von Richtern in der Politik grundsätzlich skeptisch. "Ich habe grundsätzliche Bedenken gegen die politische Betätigung von Richtern, das ist meine persönliche Ansicht dazu", betont Fuchs. "Die Richter sind in einer anderen Staatsgewalt, in der dritten Gewalt, der Justiz, tätig. Ein Wechsel in eine andere Staatsgewalt ist grundsätzlich problematisch", so der Vorstand des Instituts für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Wien.

Bandion-Ortner: "Werde sicher keine Weisungen erteilen"
Als juristisches Problem sei das "sehr gering" einzustufen, ein politisches Problem sei es aber schon. Allerdings verweist Fuchs darauf, dass Bandion-Ortner als Ministerin keine Weisung erteilen dürfte, die im Zusammenhang mit dem BAWAG-Verfahren steht. Dies hat die Neo-Ministerin allerdings bereits unmittelbar nach ihrer Angelobung ausgeschlossen. "Ich werde sicher keine Weisungen erteilen, die in Zusammenhang mit meiner Person stehen", sagte Bandion-Ortner nach der Zeremonie in der Hofburg. Laut Fuchs könnte die Weisungskette in diesem Fall bereits bei der Oberstaatsanwaltschaft oder in der zuständigen Sektion des Ministeriums beendet werden, ohne das die Akten im Zusammenhang mit dem Verfahren über den Schreibtisch der Ministerin gehen.

Oppositions: Gefängnisse im Ausland, kein "Bundestrojaner"
Die Opposition deckte Bandion-Ortner gleich zum Antritt mit Forderungen ein: BZÖ-Justizsprecher Ewald Stadler pochte unter anderem auf die Errichtung von Gefängnissen im Ausland zur Unterbringung ausländischer Verurteilter, einen staatlichen Unterhaltsvorschuss, den Schutz religiöser Symbole des "christlichen Abendlandes" und die Herabsetzung der Strafmündigkeitsgrenze auf unter 14 Jahre. Sein Grüner Kollege Albert Steinhauser forderte von der neuen Ministerin Nachverhandlungen über das Justiz-Kapitel im Koalitionspakt und Widerstand gegen den "Ausbau des Überwachungsstaates" (Stichwort: "Bundestrojaner"). Außerdem kritisierte Steinhauser "mangelnde Sensibilität" bei der Bestellung Krakows zum Kabinettschef.

Tierschützer bereiteten Neo-Ministerin Protest-Empfang
Einen ersten Vorgeschmack auf die Herausforderungen ihres neuen Amtes erhielt Bandion-Ortner am Weg zu ihrer Angelobung von einer Handvoll Tierschützer, die am Ballhausplatz für die Abschaffung des "Paragraf 278" demonstrierten. Aufgrund dieser Bestimmung, die die Bildung krimineller Vereinigungen unter Strafe stellt, sind Polizei und Staatsanwaltschaft im Vorjahr gegen Tierschutzaktivisten vorgegangen. Sie fordern nun eine Entschärfung des Gesetzes.

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