Wild-West-Szenen

War Waffeneinsatz der Polizei gerechtfertigt?

Österreich
18.12.2008 22:01
Nach der wilden Verfolgungsjagd auf einen 48-Jährigen in Wien-Favoriten, bei der - wie jetzt erst bekannt wurde - nur ein Polizist insgesamt zwölf Schüsse abgab, sind noch einige Fragen offen. Unklar ist weiterhin, warum Stefan B. bei dem eigentlich "harmlosen" Einsatz derart ausgerastet ist. Untersucht wird in den nächsten Tagen aber auch der Schusswaffen-Einsatz. Oberstleutnant Gerhard Haimeder vom Landeskriminalamt verteidigte den Polizisten, dessen Kollege zuvor von B. attackiert worden war. "Das ist der Albtraum jedes Beamten", so der Kriminalist zu den Wild-West-Szenen. Endgültig entscheiden werde über die Rechtmäßigkeit des Schusswaffengebrauchs allerdings durch die Staatsanwaltschaft.

"Der Polizeibeamte musste reagieren", betonte Haimeder. "Meiner Meinung nach hat der Beamte das richtig gemacht. Wenn er (der Angreifer, Anm.) einen Beamten wegen einer harmlosen Amtshandlung niederschlägt, was macht er da bei einem Passanten?"

Der zuerst gegen den 48-Jährigen eingesetzte Pfefferspray habe wegen des Windes seine Wirkung verfehlt, erklärte er. Zunächst hätte der Beamte daher "als psychisches Mittel" Warnschüsse abgegeben. "Als das alles nicht geholfen hat, hat er gezielt", so Haimeder. Vier Kugeln habe der 48-Jährige nur deshalb abbekommen, weil die ersten Treffer keinerlei Reaktion hervorriefen.

Cobra ermittelt intern
Kritik an dem Waffeneinsatz des Beamten gibt es dahingehend, dass der Polizist bereits Verstärkung angefordert hatte und in so einem Fall das Sondereinsatzkommando mit geschulten Schützen die Situation deeskaliert. Die Wiener Polizei argumentiert, der Beamte habe in Notwehr gehandelt. Untersucht wird der Fall intern übrigens von der Cobra, auch das Innenministerium prüft die Vorgänge.

Von den 12 abgefeuerten Projektilen traf eines ein vorbeifahrendes Auto, eines den Reifen eines parkenden Fahrzeuges, und auch in einer Hausmauer steckte eine Kugel. Verletzt wurde dabei niemand, den Schaden an den Autos begleicht - wenn es keine Vollkasko-Versicherung gibt - das Innenministerium.

Bereits vor zwei Jahren Kontrolle durch Gesundheitsamt
Wie am Donnerstag bekannt wurde, haben Hausverwaltung und Gesundheitsamt am Mittwoch nicht zum ersten Mal beim 48-jährigen Stefan B. Nachschau gehalten. Vor zwei Jahren hatten die Behörden dem 48-Jährigen wegen Geruch- und Lärmbelästigung erstmals besucht. "Damals hat man mit ihm normal reden können", sagte Hanno Csisinko, Sprecher von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ). Die Kontrolle am Mittwoch war angekündigt. Warum der Mann ausgerastet ist, ist immer noch unklar.

Immer wieder habe es über den Mann, der seit 2000 in dem Gemeindebau wohnt, Beschwerden gegeben. "Es war aber nicht so, dass es täglich oder wöchentlich vorkam", meinte Csisinko. Bei dem Besuch vor zwei Jahren ist es um "sanitäre Übelstände" und um Lärmbelästigung gegangen. "Damals hat es Gespräche zwischen 'Wiener Wohnen' und dem Mann gegeben. In der Wohnung wurde einiges an Unrat gefunden, aber keine verwesten Tiere oder so."

Mysteriöse Zettel: "Spenden bitte hier abgeben"
Die Situation habe sich daraufhin auch beruhigt, der Mann sei einsichtig gewesen. Der aktuellen Überprüfung seien neben sanitären Missständen auch mysteriöse Zetteln vorausgegangen, die im Wohnhaus aufgehängt wurden. Darauf war "Spenden bitte hier abgeben" mit Verweis auf die Wohnung des betroffenen Mannes, zu lesen.

Mit Besen auf Beamte losgegangen
Der an Wild-West-Szenen erinnernde Vorfall ereignete sich am Mittwoch um acht Uhr früh an der Ecke Troststraße/Van-der-Nüll-Gasse. Die Polizei war wegen "Lärmbelästigung und Müllablagerungsproblemen" von einem Magistratsmitarbeiter in den Gemeindebau gerufen worden. Die Beamten trafen den 48-Jährigen im Innenhof an und forderten ihn zunächst nur auf, seinen Hund anzuleinen.

Plötzlich griff er zum Besen und ging auf die Beamten los. Einer wurde im Gesicht – genauer gesagt am Jochbein – schwer verletzt, berichtete Oberstleutnant Gerhard Heimeder. Anschließend zückte der Mann ein Messer, bedrohte erneut die Ordnungshüter und flüchtete schließlich die Troststraße entlang.

Die Uniformierten nahmen die Verfolgung auf und versuchten, den 48-Jährigen mit mehreren Warnschüssen zum Anhalten zu bewegen, so Haimeder weiter. Da er keine Anstalten zum Stehenbleiben machte und "ständig weiter mit dem Messer drohte", zielten die Polizisten auf ihn. Nach den vier Treffern blieb er im Bereich der Van-der-Nüll-Gasse blutend stehen. Auf der Gleisanlage wurde er schließlich überwältigt. Der Festgenommene sei nicht lebensgefährlich verletzt worden, betont die Polizei. Die Schüsse trafen den Mann am Oberarm, am Unterschenkel sowie an der rechten Schulter.

Wieder Schusswaffengebrauch durch Polizisten
Bereits am Mittwochabend kam es in Wien wieder zu einem Einsatz der Schusswaffen durch Polizeibeamte: Zwei Männer schlugen gegen 21.30 Uhr die Scheibe eines Juweliergeschäfts in Alsergrund ein und lösten dadurch Alarm aus. Auf ihrer Flucht mit dem Auto wurden sie von einem Zeugen beobachtet. Dieser beschrieb den alarmierten Polizisten das Kennzeichen. Die Streife entdeckte das Fahrzeug in der Landesgerichtsstraße und nahm die Verfolgung auf. Bei der Jagd durch die engen Gassen krachte das Auto der Kriminellen in der Florianigasse in zwei parkende Autos. Die Einbrecher sprangen aus dem Auto und flüchteten zu Fuß weiter. Dabei gaben die Polizisten zwei Warnschüsse ab.

Ein Täter wurde in einer öffentlichen Toilettenanlage geschnappt, der zweite konnte flüchten. Bei dem Festgenommenen handelt es sich um einen 39-jährigen Serben, er konnte bislang noch nicht einvernommen werden.

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