"Auftritt in Dachau"

Heesters verliert Prozess gegen Berliner Autor

Ausland
16.12.2008 16:44
Der Schauspieler Johannes Heesters (105) hat seinen Rechtsstreit mit dem Berliner Historiker Volker Kühn (Foto links) verloren. Kühn darf weiterhin behaupten, dass der Entertainer nach bisherigen Erkenntnissen 1941 bei seinem Besuch im Konzentrationslager Dachau auch vor der SS aufgetreten sei. Das Berliner Landgericht wies am Dienstag eine Klage von Heesters auf Widerruf und Unterlassung von entsprechenden Äußerungen ab, die Kühn im Februar in einem Zeitungsinterview gemacht hatte.

Es sei nicht zu klären gewesen, ob Heesters (im Bild rechts an seinem 105. Geburtstag, in der Mittte 1941 beim Marsch durchs KZ Dachau) damals tatsächlich vor SS-Wachmannschaften auftrat, sagte der Vorsitzende Richter der 27. Zivilkammer, Michael Mauck, in der Urteilsbegründung. Es gebe aber Anhaltspunkte dafür. Man könne Kühn keinen Vorwurf machen, dass er die Indizien für einen Auftritt Heesters in dieser Weise bewerte. Die Grenze der unzulässigen Schmähkritik werde nicht überschritten. Gegen das Urteil ist eine Berufung beim Berliner Kammergericht möglich.

Kühn: "Habe kein Problem mit Heesters"
"Eigentlich war die Sache klar", sagte der renommierte Kabarettautor und Historiker Kühn (75) nach der Urteilsverkündung im Gerichtssaal. "Ich habe kein Problem mit Heesters und hoffe, dass die Angelegenheit nun geklärt ist." Heesters sei "sicherlich ein ganz großer Entertainer"; vor Gericht sei es nur darum gegangen herauszufinden, was damals in Dachau geschehen sei. Der 105-Jährige will sich nicht mehr zu Hitler und zur Nazi-Diktatur äußern.

Heesters hatte das Konzentrationslager mit dem Ensemble des Münchner Gärtnerplatztheaters besucht. Der Besuch ist in einem Fotoalbum des damaligen KZ-Kommandanten dokumentiert, das in der mündlichen Verhandlung genauso eine Rolle spielte wie auch eine vor den Richtern abgespielte DVD mit einer Heesters belastenden Zeugenaussage. Darin sagte der inzwischen gestorbene frühere Dachau-Häftling und spätere Wiener Kulturstadtrat Viktor Matejka auf die Frage Kühns für eine TV-Dokumentation, ob er von einem Heesters-Auftritt in Dachau etwas wisse: "Ja, was soll die Frage, ich habe ihm doch den Vorhang gezogen."

Den Besuch im Lager hatte Heesters nie bestritten, wohl aber einen Auftritt dort. Auf den Albumfotos ist er in Hut und Mantel bei der Besichtigung von Lagereinrichtungen zu sehen, aber nicht bei einem Auftritt oder einer Gesangsdarbietung. In der Widmung des damaligen KZ-Kommandanten in dem Album heißt es: "Den lieben Künstlern, die uns am 21.5.1941 durch einen frohen und heiteren Nachmittag im K.L. Dachau erfreuten, gewidmet."

Heesters: "Werde solche Fragen nie mehr beantworten"
Sein Anwalt Gunter Fette hatte in dem Verfahren daran erinnert, dass Heesters ein Leben lang bedauert habe, zusammen mit dem Gärtnerplatz-Ensemble der sogenannten Einladung der SS, was damals alle als Befehl verstanden hätten, in das Lager überhaupt gefolgt zu sein. "Ich schäme mich, dass es den Nazis gelungen war, uns dorthin zu locken", hatte Heesters gesagt. Kühn sagte nach dem Urteilsspruch, die Wahrheit werde sich nicht endgültig klären lassen. Zeitzeugen, die aufstehen und sagen, wie es war, gebe es nicht mehr, nach so langer Zeit könne es nur Indizien geben.

"Alle Fragen zu dieser unglückseligen Zeit werde ich künftig nie mehr beantworten, da ich meine Ablehnung dieses Nazi-Regimes oft genug erklärt habe", sagte der Schauspieler jetzt der Illustrierten "Bunte". Der Wirbel um ein Interview mit einem holländischen Comedy-Sender vor wenigen Wochen – krone.at berichtete - sei ihm eine "heilsame Lehre" gewesen. Der Fernsehsender hatte Heesters nach seinen Erinnerungen an Adolf Hitler befragt. Der ehemalige UFA-Star hatte Hitler einen "guten Kerl" genannt.

Nach Überzeugung seiner Frau Simone Rethel-Heesters wurde der schwerhörige und fast blinde Mann kurz vor seinem 105. Geburtstag von dem Fernsehsender hereingelegt. Die Reporter hätten ihm einen Strauß mit 105 bunten Tulpen überreicht, ihren Mann aufgefordert, ein holländisches Volkslied zu singen und eine wohlige Stimmung geschaffen, sagte Rethel der Illustrierten. Plötzlich hätten sie ihn mit einer Frage nach Hitler "bombardiert". In die NSDAP war Heesters nach eigenen Angaben nie eingetreten. "In der ganzen Zeit damals habe ich versucht, meine Familie und mich da rauszuhalten und zu schützen", sagte er der "Bunten".

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