1. Wahl mit e-Card

Weiter Wirbel um ÖH-Wahl

Österreich
16.12.2008 16:19
Die Debatte rund um das bei den nächsten Wahlen der Österreichischen Hochschülerschaft im Mai 2009 geplante E-Voting wird immer hitziger. Die Vorsitzenden der Wahlkommission an der Uni Wien haben wegen "Bedenken hinsichtlich der rechtlichen sowie technischen Sicherheit bei dieser Wahl" ihre Funktionen zurückgelegt, gab die ÖH am Dienstag bekannt. Die "Grünen und Alternativen Studentinnen" (kurz: GRAS) denken über eine Klage beim Verfassungsgerichtshof nach. Allgemein wird befürchtet, es könne bei der digitalen Wahl zu Manipulationen kommen. Die Studenten sollen in knapp einem halben Jahr mit zur "Bürgerkarte" aufgerüsteten e-Cards teils via Internet abstimmen. Die Wahl gilt als Testlauf für etwaige landesweite digitale Urnengänge.

Im vergangenen Herbst hatte Wissenschaftsminister Johannes Hahn erstmals seine Pläne für E-Voting bei den ÖH-Wahlen publik gemacht. Als Alternative zur Papierwahl soll in der Woche davor eine elektronische Stimmabgabe möglich sein. Dafür müssen die Studenten allerdings zunächst ihre e-Card zur "Bürgerkarte" aufrüsten, die mittels elektronischer Signatur das Erledigen von Verwaltungswegen über das Internet ermöglicht. Die Verbreitung solcher "Bürgerkarten" ist derzeit allerdings sehr gering. Im Rahmen der Kampagne haben mit Stand Anfang Dezember nur knapp 1.900 Studenten ihre e-Card erweitern lassen.

Das Wissenschaftsministerium hatte bereits im Oktober eine Kampagne zu deren Verbreitung gestartet, bis Ende Jänner können Studenten ihre e-Card kostenlos um die Funktion der elektronischen Signatur erweitern und bekommen dazu kostenlos ein Chipkarten-Lesegerät. Die Fachschaftslisten (FLÖ) kritisieren allerdings, dass diese Gratis-Lesegeräte der Sicherheitsklasse eins von drei angehören, bei denen der Sicherheitscode über den PC eingegeben wird. "Wenn ein Virus am Rechner ist, kann der PIN mitgelesen werden", warnte FLÖ-Sprecher Markus Hauser.

Wahlkommission besorgt um "rechtmäßige Durchführung"
Die vom Wissenschaftsministerium entsandte Vorsitzende der Wahlkommission der Uni Wien, die Verfassungsrechtlerin Gerda Marx, und ihr Vertreter Matthias Köhler betonten am Dienstag, durch ihren Rücktritt "weder politische noch persönliche Interessen in dieser Angelegenheit" zu verfolgen. Als neutrale Kommissionsmitglieder hätten sie die Aufgabe, "die Rechtmäßigkeit der Durchführung der ÖH-Wahlen zu gewährleisten bzw. zu überwachen". Durch das E-Voting sähen sie sich jedoch "nicht in der Lage, die entsprechende Verantwortung zu übernehmen".

Im Wissenschaftsministerium heiß es, dass nun ein neuer Vorsitzender ausgewählt und die Wahlkommission, der auch Vertreter der stimmstärksten ÖH-Fraktionen angehören, neu bestellt werden müsse. Erst in der vergangenen Woche sei den Wahlkommissionen aller Unis bei einer Sitzung vom Wissenschaftsministerium "mitgeteilt worden, dass beim E-Voting alles durch Gesetze und Verordnungen gedeckt" sei, heißt es aus dem für die Unis zuständigen Ressort.

"Datenschutzrechtlicher Wahnsinn"
"Dass die Wahlkommissionsvorsitzende der größten österreichischen Universität diesem datenschutzrechtlichen Wahnsinn nicht zustimmt, zeigt wie alleine Minister Hahn mit seinem Vorhaben ist", entgegnete die ÖH-Vorsitzende der Uni Wien, Sophie Wollner vom Verband Sozialistischer StudentInnen. "Es kann nicht sein, dass das Grundrecht der geheimen Wahl, das in der Verfassung verankert ist, von Wissenschaftsminister Hahn einfach so übergangen wird und die Daten der Studenten an Dritte weitergegeben werden", begründete GRAS-Aktivistin Regina Bösch die Überlegungen ihrer Fraktion hinsichtlich einer VfGH-Klage.

Experten stehen E-Voting kritisch gegenüber
Verfassungsjurist Heinz Mayer steht dem E-Voting kritisch gegenüber. Bei den ÖH-Wahlen diene diese "von oben verordnete Maßnahme" nur der Vorbereitung für einen Einsatz bei Nationalratswahlen. "Aber es gibt überhaupt keinen Grund Veränderungen herbeizuführen, die noch dazu sicher fehleranfälliger sind als die derzeitige Abwicklung", kritisierte Mayer. Wahlmanipulation sei bei E-Voting im deutlich größeren Stil möglich und nur die wenigen Experten mit Einblick in das Wahlsystem könnten diese nachzuvollziehen. Dabei sei die Akzeptanz eines Wahlergebnisses mindestens so wichtig wie dessen Korrektheit. "Derzeit wird bei uns das Wahlergebnis überhaupt nicht infrage gestellt. Ein knappes Wahlergebnis beim E-Voting würde für große Unsicherheit sorgen", sagte Mayer.

Ähnlich argumentiert der Wiener Informatiker Peter Purgathofer. Die derzeit mögliche Kontrolle falle beim E-Voting weg. "Wir müssten dem Experten glauben, dass unsere Stimme tatsächlich gezählt wird und keine personenbezogenen Daten weitergegeben werden." Auch das Angebot an die ÖH-Wahlkommission, die Software vorab einzusehen, bringe keine Sicherheit: "Bei einer Kontrolle sehe ich nur, was mir der Experte zeigen will. Und es gibt keine Garantie, dass die Software die gesamte Wahl über läuft, bzw. nicht ausgetauscht wird, etc."

Informatikstudent entdeckte Sicherheitslücke
Einer von Purgathofers Studenten, Konstantin Hofstetter, hat das  E-Voting auf Sicherheitslücken abgeklopft -  und auf der betreffenden Internetseite bereits eine entdeckt. Zwar könne man nicht auf das Zentralregister zugreifen, aber Personendaten wie Name, Geburtsdatum etc. mitlesen. "Ein System ist immer nur so sicher wie die Seite, die es nutzt", warnte Hofstetter.

Kritik übte er auch an der Kampagne an den Unis, bei der Studenten die E-Card seit Oktober und noch bis Jänner von einer Gruppe von Studenten ("Tutoren") kostenlos um die Funktion der elektronischen Signatur erweitern lassen können. "Der Datenschutz dabei hätte nicht schlechter sein können", so Hofstetter. Die Daten der Interessenten - inklusive lesbarer Passwörter - seien auf den Laptops der Tutoren unverschlüsselt als PDF gespeichert und per Mail an diese geschickt worden. "Verliert jemand einen PC, sind alle Daten einsehbar." Beim zusätzlich gratis an die Studenten verteilten Kartenlesegerät mit Sicherheitsklasse eins von drei muss der Code über den PC eingegeben werden. Man könne daher bei der Wahl eine Software zwischenschalten und die Codes abfangen, so Hofstetter.

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