"Mörder raus!"

Griechenland kommt nicht zur Ruhe

Ausland
16.12.2008 12:11
In der griechischen Hauptstadt Athen ist es in der Nacht auf Sonntag erneut zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen. Nur wenige Stunden nach einem friedlichen Gedenkmarsch für den von einem Polizisten getöteten 15-jährigen Schüler griffen Gewalttäter Polizisten und Gebäude mit Brandsätzen und Steinen an. Nach Polizeiangaben kam es in mehreren Stadtteilen zu Angriffen auf Banken, Ministerien und Geschäfte.

Am Samstagnachmittag hatten sich rund 2.000 Schulkameraden und ihre Familien vor dem Parlament versammelt, um des vor einer Woche getöteten Schülers zu gedenken und gegen Polizeigewalt zu protestieren. Wegen des Todes des Jugendlichen wird gegen zwei Polizisten ermittelt. Der Polizist, aus dessen Waffe der Schuss stammte, hat erklärt, er habe Warnschüsse abgegeben.

Laut BBC wurde auch das Polizeirevier angegriffen, in dem jener Polizist Dienst versehen hatte, der für den Tod des 15-jährigen Alexandros Grigoropoulos verantwortlich gemacht wird. Rund 100, meist vermummte Jugendliche skandierten dabei "Mörder raus".

Nachtwache verlief freidlich
Friedlich verlief dagegen eine Nachtwache, mit der Hunderte Schüler des vor einer Woche erschossenen Grigoropoulos gedachten. Mit Kerzen in den Händen versammelten sie sich vor dem Parlament und an der Stelle, an der der 15-Jährige von einer Polizeikugel tödlich getroffen worden war. Vor den Bereitschaftspolizisten, die das Parlament bewachten, formierten die Demonstranten mit Kerzen den Namen Alex. Bereits tagsüber hatten sich etwa 1.000 überwiegend jugendliche Demonstranten auf dem Syntagma-Platz in der Athener Innenstadt zu einem friedlichen Sitzstreik zusammengefunden. In Saloniki demonstrierten ebenfalls etwa 1.000 Menschen.

Auch in der kommenden Woche wollen die Demonstranten jeden Tag auf die Straße gehen. Sie protestieren nicht nur gegen Polizeigewalt, sondern erheben zunehmend auch politische Forderungen unter dem Eindruck einer unpopulären Regierung und einer sich verschärfenden Wirtschaftskrise. Im Internet schrieb ein Nutzer: "Wir wollen eine bessere Welt. Wir sind keine Hooligans oder Terroristen."

"Uns hört niemand zu"
Eine der jugendlichen Demonstrantinnen erklärte, ihre Generation fühle sich unverstanden. "Wir haben das Gefühl, dass unsere Eltern und Lehrer uns nicht zuhören", sagte die 16-jährige Veatriki. Offenbar finde man erst Gehör, wenn eine Schaufenster- oder Autoscheibe zu Bruch gehe. Sie betonte, dass Grigoropoulos' Tod nur der Auslöser für die Proteste gewesen sei. Die Jugendlichen seien beispielsweise mit dem Schulsystem unzufrieden.

Von einer "zunehmenden sozialen Krise, verbunden mit einem geschwächten Staat", sprach in diesem Zusammenhang der Zeitungsherausgeber Giorgos Kyrtsos. Die Regierung habe sich sowohl die rebellierenden Jugendlichen als auch die gesetzestreue Mehrheit zum Feind gemacht, sagte Kyrtsos. "Sie hat niemandem etwas zu bieten." Es gebe "etwa 500, ganz sicher weniger als 1.000" Anarchisten, zu denen sich bei den gewaltsamen Ausschreitungen Hooligans gesellt hätten, ebenso wie Jugendliche auf der Suche nach einem Abenteuer oder einem Ventil für ihren Frust.

Seit Beginn der Unruhen vor einer Woche wurden Hunderte Geschäfte geplündert. Mindestens 70 Menschen wurden verletzt, mehr als 200 festgenommen. Die Proteste begannen nach dem Tod des 15-Jährigen, der am Samstag vergangener Woche von einem Polizisten erschossen wurde.

Warten auf Ergebnis der ballistischen Untersuchung
Das bereits Ende der Woche mit Spannung erwartete Ergebnis der ballistischen Untersuchung zu dem Todesschuss wird erst nächste Woche vorliegen. Wie das griechische Fernsehen berichtete, sind noch weitere Untersuchungen notwendig. Sie sollen klären, ob ein 37 Jahre alter Polizist am vergangenen Samstag direkt auf den 15-jährigen Alexandros Grigoropoulos geschossen hat oder ob der Bursch von einem Querschläger getroffen wurde.

Der in Untersuchungshaft sitzende mutmaßliche Todesschütze sowie ein Kollege, dem Beihilfe zum Totschlag vorgeworfen wird, wurden am Freitag in ein nicht genanntes Gefängnis in der Provinz verlegt. Damit sollen Proteste vor dem Hochsicherheits-Gefängnis von Korydallos bei Piräus, wo die beiden Polizisten bisher einsaßen, verhindert werden.

Polizeireform und psychologische Tests für Beamte
Der für die Polizei zuständige griechische Staatssekretär, Panagiotis Hinofotis, entschuldigte sich für den Tod des Jugendlichen und kündigte an, die Regierung plane eine Polizeireform: "Wir überlegen uns, wer unter welchen Bedingungen und Voraussetzungen künftig eine Waffe tragen wird." Zudem sei geplant, dass sich Beamte künftig mindestens einmal im Jahr einem psychologischen Test unterziehen müssten. Der 37-jährige Polizist soll laut Augenzeugenberichten zum Zeitpunkt, als der Todesschuss fiel, "völlig außer Kontrolle und extrem wütend" gewesen sein.

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