Korruptionsverdacht

Verfahren gegen US-Gouverneur eingeleitet

Ausland
16.12.2008 11:41
Das Abgeordnetenhaus von Illinois hat am Montag ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Gouverneur des Bundesstaats, Rod Blagojevich, eingeleitet. Der einstimmig gefasste Beschluss leitet ein mehrstufiges Untersuchungsverfahren ein, an dessen Ende die Absetzung des demokratischen Politikers stehen könnte. Zunächst wurde eine Kommission mit den weiteren Untersuchungen beauftragt. Sollte das Gremium eine Amtsenthebung empfehlen, muss das Parlament des Bundesstaates darüber abstimmen. Diesem Votum folgt ein förmlicher Prozess im Senat von Illinois.

Beantragt hatte die Amtsenthebung am Freitag die Generalstaatsanwältin von Illinois, Lisa Madigan. Ihr sei klar, dass es sich um ein außergewöhnliches Gesuch an das Oberste Gericht handele, "aber es sind auch außergewöhnliche Umstände", so Madigan.

Die Generalstaatsanwältin wirft Blagojevich vor, den Senatssitz von Obama bereits vor dessen Wahl zum US-Präsidenten zum Verkauf gestellt zu haben. Einem veröffentlichten Tonbandmitschnitt zufolge sagte Blagojevich einen Tag vor Obamas Wahlsieg am 4. November zu einem seiner Berater: "Ich bin ein harter Verhandler. Und wenn ich nicht bekomme, was ich will und damit nicht zufrieden bin, dann nehme ich den Senatssitz halt selbst."

Ein Senatssitz sei eine "verflucht wertvolle Sache, die gibt man nicht einfach für nichts weg", sagte Blagojevich weiter. Eine Woche nach dem Sieg Obamas soll der Gouverneur seinem Kabinettschef John Harris gesagt haben, dass das Lager des gewählten Präsidenten schon einen Kandidaten für die Obama-Nachfolge im Senat habe. "Aber die wollen mir nichts dafür geben außer Anerkennung. Die sollen sch... gehen."

Ermittlungen bereits seit drei Jahren
Wird ein Senatssitz vakant, dann entscheidet nach amerikanischem Recht der Gouverneur des entsprechenden Bundesstaates über die Nachfolge. Nach einem Bericht der Zeitung "Chicago Tribune" ermittelt die US-Bundespolizei FBI bereits seit drei Jahren wegen Korruptionsverdacht gegen Blagojevichs Regierung. Ermittler hätten die Erlaubnis erhalten, Telefonate des demokratischen Gouverneurs abzuhören. Anlass sei der Verdacht gewesen, dass es beim Auswahlverfahren für die Obama-Nachfolge zu Rechtsverstößen gekommen sei, hieß es.

"Atemberaubendes Ausmaß" an Korruption
Der zuständige US-Bundesanwalt Patrick Fitzgerald sprach von einem "atemberaubenden Ausmaß" an Korruption. In abgehörten Telefonaten hätten Blagojevich und sein ebenfalls festgenommener Stabschef John Harris beraten, wie sie aus der Entscheidung für die Neubesetzung des Senatssitzes nach dem Umzug des bisherigen Inhabers Obama ins Weiße Haus Profit schlagen könnten, heißt es in einer 76-seitigen Schrift der ermittelnden Bundespolizei FBI.

In den Telefonaten habe Blagojevich unter anderem erwogen, seine Frau als Gegenleistung für die Ernennung des neuen Senators in den Vorstand eines Unternehmens berufen zu lassen, wo sie bis zu 150.000 Dollar (rund 117.000 Euro) pro Jahr verdient hätte. Eine andere Option sei gewesen, dass ihm ein substanzielles Gehalt für die Arbeit im Dienst einer Nichtregierungsorganisation oder Gewerkschaft zugesagt worden wäre. Auch die Zusage hoher Wahlkampfspenden oder eine Ernennung zum Botschafter habe sich Blagojevich erhofft.

"Instrument zur Selbstbereicherung"
Der Chicagoer FBI-Chefermittler Robert Grant warf Blagojevich vor, das Gouverneursamt von Illinois zu "einem Instrument zur Selbstbereicherung" gemacht zu haben, was die "Politik in Illinois an einen neuen Tiefpunkt geführt" habe. Bundesanwalt Fitzgerald erklärte, Blagojevich habe "de facto ein Schild mit den Worten 'Zu verkaufen' aufgestellt, um einen US-Senator zu benennen". Der Gouverneur habe sich dabei persönlich mit als "Verkäufer" betätigen wollen.

Blagojevich versuchte, Kritiker mundtot zu machen
Die Vorwürfe gegen Blagojevich beziehen sich nicht nur auf die Senatspersonalie, sondern auch auf Versuche, Kritiker in den Medien zu gängeln. Der Gouverneur und sein Stabschef sollen damit gedroht haben, zugesagte finanzielle Beihilfen des Bundesstaats an den Zeitungskonzern Tribune zum Kauf eines Stadions in Chicago zurückzuhalten. Damit hätten sie eine "Säuberung unter den Kommentatoren der Zeitung herbeiführen wollen", hieß es in einer Erklärung der Bundesanwaltschaft. Blagojevich habe versucht, "auf korrupte Weise sein Amt zu nutzen, um kritische journalistische Stimmen niederzutrampeln".

Obama "betrübt und ernüchtert"
Der designierte US-Präsident Barack Obama bezeichnete den Korruptionsskandal um Blagojevich als "traurig und ernüchternd". Er habe keine Ahnung von dem Skandal und zuletzt keinen Kontakt zu dem Gouverneur seines Heimatstaates gehabt, sagte Obama. Es sei ein "trauriger Tag für Illinois".

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