Martyrium zu Ende?

Pfarrer jahrelang verfolgt – Stalkerin verurteilt

Wien
06.03.2009 14:14
Seit über zehn Jahren wird ein Wiener Pfarrer von einer 58-jährigen Witwe verfolgt. Hunderte Briefe und E-Mails mit Liebesbeteuerungen hat er bereits erhalten. Weil sie ihn bis zu 20 Mal täglich anrief, wagte er kaum mehr das Telefon abzuheben. Die Schweizerin, die den Seelsorger in seinem früheren Wirkungsort in Freiburg im Breisgau kennengelernt hatte, reiste auch regelmäßig nach Wien, wo sie Geschenke für ihn hinterließ, ihm im Beichtstuhl auflauerte und seine Nähe suchte. Am Freitag ist die Lehrerin im Wiener Straflandesgericht rechtskräftig nach dem Stalking-Paragraphen verurteilt worden.

"Meine Mandantin ist sehr religiös. Der Herr Pfarrer ist für sie eine religiöse Identifikationsfigur gewesen", deponierte Verteidigerin Astrid Wagner zu Beginn der Verhandlung. Der Eidgenossin dürfte es allerdings um mehr als spirituelle Inspiration gegangen sein: Eines Tages trat sie vor den 37-jährigen Gottesmann und eröffnete ihm: "Ich liebe dich und du mich. Du weißt es nur noch nicht. Wir sind füreinander geschaffen." Danach versuchte sie, seine Hose zu öffnen und flüsterte dabei: "Nur ein Mal!"

Angeklagte: "Das ist eine Eigenart von mir"
Im Gotteshaus selbst kam es für den Pfarrer wiederholt zu äußerst unangenehmen Begegnungen: Mehrfach musste er die Beichtstunde abbrechen, weil ihm die 58-Jährige im Beichtzimmer zu nahe kam. Einmal stürmte sie während einer Anbetung den Hochaltar, ergriff die Monstranz und lief damit ins Freie. Bei der Kommunion pflegt sich die Frau vor den Pfarrer hinzuknien und nach seinem Messkleid zu fassen. "Das ist eine Eigenart von mir", rechtfertigte sich die Angeklagte.

Sie zeigte sich geständig, dem Seelsorger Liebesbriefe geschickt und ihn unter anderem mit Rasierwasser, weißen Rosen und Keksen beschenkt zu haben. Er sei "wie ein Bruder für mich gewesen". Sie habe ihn in Österreich besucht, "weil der Pfarrer besonders schöne Predigten und besonders schöne Messfeiern hält".

Von einstweiliger Verfügung unbeeindruckt
Ebendort wurde die Frau Ende Jänner festgenommen, weil sie ihr Verhalten. Und das, obwohl der Geistliche schon längst eine einstweilige Verfügung erwirkt hatte, die ihr jeden Kontakt untersagte.

Doch selbst aus der U-Haft heraus suchte die Witwe weiter brieflichen Kontakt zum Pfarrer. Drei Schreiben wurden gerichtlich beschlagnahmt. "Ich habe gedacht, er wird mir hier raushelfen", rechtfertigte sie sich vor Richterin Lucie Heindl-Koenig.

Schwere Persönlichkeitsstörung, aber zurechnungsfähig
Die Gerichtspsychiaterin Sigrun Rossmanith bescheinigte der Angeklagten eine schwere Persönlichkeitsstörung und eine erhebliche Minderung der Impulskontrolle. Schuldausschließungsgründe lägen allerdings keine vor, Zurechnungsfähigkeit sei damit gegeben.

Die Lehrerin wurde am Ende zu sieben Monaten Haft verurteilt, davon ein Monat unbedingt. Der Rest wurde zur dreijährigen Probezeit ausgesetzt. Damit kann die 58-Jährige sofort das Gefängnis verlassen und in ihre Heimat zurückkehren. Bleibt zu hoffen, dass sich die Schweizerin an ihr Versprechen hält. Sie hätte sonst mit Sicherheit einen monatelangen Gefängnisaufenthalt vor sich.

Frau wollte Geistlichen "entführen"
Das Martyrium für den Pfarrer hatte im Jahr 1999 seinen Ausgang genommen, als er die Frau an seiner vormaligen Wirkungsstätte in der Nähe von Freiburg im Breisgau kennenlernte. Schließlich bot sie dem aus Italien stammenden Priester eine Stadtführung und privaten Deutschunterricht an. Als der Geistliche zu ihr ins Auto stieg, fuhr die Frau sofort auf die Autobahn und versuchte ihn Richtung Schweiz zu "entführen". Nur mit einer kleinen List sei es ihm gelungen, den Wagen zu verlassen.

Stalkerin hinterließ bizarre Schreiben
Seither ließ die Pädagogin nicht von ihm ab. Selbst die Übersiedlung nach Wien änderte daran nichts. Täglich fünf bis zehn Anrufe erreichten den Pfarrer und er erhielt hunderte Mails und Liebesbriefe. Alle paar Wochen erschien Stalkerin in der Bundeshauptstadt. Auf seinem Auto hinterließ sie teils bizarre Schreiben wie etwa "Bitte komm zu mir, Herr! Erlöse mich, Herr" oder "...bitte komm zu mir, erweise mir Deine Huld, spende mir Dein Heil".

Symbolfoto

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