Welt-Aids-Tag

HIV-Positive werden noch immer diskriminiert

Österreich
01.12.2008 15:03
"Leadership" lautet das Motto des Welt-Aids-Tages am Montag. Und "Leadership" hätte die Welt auch in Sachen Immunschwächekrankheit dringend notwendig. Nur ein Bruchteil der Betroffenen weltweit erhält eine adäquate medizinische und soziale Versorgung. Liegt in den ärmeren Staaten der Schwerpunkt auf der Bereitstellung der lebensrettenden Medikamente zur Behandlung der HIV-Infektion, gilt es in Ländern wie Österreich - noch immer - an der Beseitigung der Diskriminierung der Betroffenen zu arbeiten. Sie betrifft in der Alpenrepublik 12.000 bis 15.000 Menschen mit einer beherrschbaren, aber nicht heilbaren Virusinfektion.

"HIV sollte halt eine Krankheit wie jede andere auch sein", sagt zum Beispiel Sandra Scheicher, Sozialarbeiterin der Aids-Hilfe Wien. "Schwierigkeiten haben die Menschen in ihren Beziehungen und Partnerschaften, wenn es um Kinderwunsch geht oder auch noch immer im medizinischen Bereich. Wenn da ein HIV-Infizierter zum Beispiel eine physikalische Therapie bekommt und er am Anmeldeschalter steht, kann da auf seiner Karteikarte noch immer mit Leuchtstift 'HIV-positiv' vermerkt sein. So dass es jeder in der Schlange auch noch sieht", fügt sie hinzu.

Die Wiener Autorin Christine Roiter wurde vor rund 25 Jahren infiziert. "Naürlich habe ich so Verschiedenes erlebt. Manches ist sehr unangenehm. Ich wollte zum Beispiel meine Tochter zusatzversichern lassen. Mir wurde das nicht einmal angeboten. Mich können's nicht kündigen, weil ich immer schon privat versichert war. Anfang der 90er-Jahre wollte ich auf Erholung gehen. Da hat der Chefarzt der Krankenkasse gesagt, was ich mir denn vorstelle. Da sind so viele Patienten mit Krebs dort, die könnte ich anstecken. Der hätte doch wissen müssen, wie die Übertragungswege sind."

Doch da sind noch ganz andere Dinge, welche bedrücken können. Die Wienerin: "Ich schrecke mich noch immer vor den Einreisebestimmungen anderer Länder. Ich war noch nie außerhalb Europas. Aber nach Amerika?"

Und dann ist da noch der private Bereich. Christine Roiter: "Es hat sich nicht viel verändert. Aber ich habe mich verändert. Ich bin dazu übergegangen, Menschen recht bald zu sagen, was eben die Situation ist. Und da schlucken die Leute noch immer. Oder sagen, dass ich gar nicht danach aussehen würde. Wie muss man denn aussehen, wenn man HIV-infiziert ist? Stellt man sich da auf jeden Fall einen völlig 'fertigen' Drogensüchtigen vor? Es ist immer wieder so, wie wenn man sich nackert auszieht, wenn man sagt, dass man HIV-positiv ist."

Bei Kündigungen immer die ersten
Die Schauplätze, auf denen sich die Diskriminierung von HIV-Positiven weiterhin abspielt, sind im täglichen Leben zahlreich. Sozialarbeiterin Sandra Schleicher über einen ganz wichtigen Punkt, die Arbeitswelt: "Nur ein geringer Teil meiner Klientinnen hat Arbeit. Es wird berichtet, dass HIV-Positive bei Kündigungen und bei einem allfälligen Stellenabbau immer die ersten ist."

Und dann ist da die Frage, was sagt man beim AMS? Die Sozialarbeiterin, die naturgemäß mit jenen Betroffenen zu tun hat, die sich in einer besonders schlechten Situation befinden: "Wenn die Betroffenen noch im Arbeitsprozess sind und eine gute Chance haben, ist es wohl besser, sie sagen nichts von ihrer Situation. Manche Arbeitsplätze in manchen Branchen bekommen sie dann nämlich gar nicht mehr angeboten." Andererseits, sind die Chancen auf eine Rückkehr in die Arbeitswelt bereits schlecht, kann ein klares Wort auch helfen.

Für den Einzelnen aber ist die Mitteilung, dass er mit dem Immunschwächevirus infiziert ist, weiterhin schlichtweg eine Katastrophe. Sandra Schleicher. "Erst vor kurzem war eine etwa 30-jährige Frau bei mir. Sie ist über die Familienplanung mit ihrem Partner zur Untersuchung gegangen und draufgekommen, dass sie HIV-positiv ist. Die Beziehung ist dann auch zerbrochen."

Schlimm: HIV-Positive werden wegen ihrer Infektion unterschwellig immer noch mit Drogen, Prostitution bzw. mit dem "Verschulden" einer Infektion in Verbindung gebracht. Noch schwieriger ist die Situation im ländlichen Raum. Die Sozialarbeiterin: "Sich in einer Dorfgemeinschaft, zum Beispiel in Niederösterreich oder im Burgenland zu outen, ist schon ein Problem. Und auf der Bezirkshauptmannschaft sitzt dann halt der Nachbar ..."

33,2 Millionen Menschen infiziert
Weltweit sind von HIV/Aids derzeit mindestens 33,2 Millionen Menschen betroffen. Südlich der Sahara, in den ärmsten Staaten der Erde mit fehlender Infrastruktur, leben fast zwei Drittel aller HIV-infizierten Menschen (22,5 Millionen). Jeden Tag sterben 5.700 an den Folgen der Immunschwäche. Im Jahr 2007 gab es damit rund 2,1 Millionen Opfer.

Die Krankheit ist keinesfalls unter Kontrolle. Der Grund dafür ist der unzureichende Zugang zu Verhütungsmitteln und Medikamenten. Die UNO geht davon aus, dass sich in diesem Jahr insgesamt rund 2,5 Millionen Menschen neu infiziert haben, das sind täglich 6.800 Menschen.

Bisher 2.658 Erkrankte in Österreich
Gegenüber dem Vormonat hat sich die österreichische Aids-Statistik nicht verändert. Dies geht aus den neuesten Zahlen des Gesundheitsministeriums (Stichtag: 1. Dezember) hervor. Von 1983 bis zum Welt-Aids-Tag 2008 sind in Österreich 2.658 Personen an Aids erkrankt, davon 1.479 verstorben.

Derzeit gibt es in der Alpenrepublik etwas mehr als 1.150 Aids-Patientinnen und -Patienten. Der Anteil der Homo- und Bisexuellen an den Erkrankten betrug bis zum Sommer 2008 34,4 Prozent, jener der intravenösen Drogenkonsumenten 24,1 Prozent. Bei einem Prozent (26 Fälle) fand die Übertragung von der Mutter auf das Kind statt.

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