"Sündenpfuhl"

100-m-Sprinter unter Generalverdacht

Olympia
13.08.2008 11:12
Ben Johnsons "Urknall" hat vor 20 Jahren die Sportwelt erschüttert und den ernsthaften Kampf gegen Doping eingeleitet - doch viele haben den Warnschuss bis heute nicht gehört. Vor allem die Sprinter wollten aus der Erbsünde von "Big Ben" partout nichts lernen. Sportbetrüger verloren Ruhm und Ehre, Olympiasiegern und Weltmeistern wurden Weltrekorde und Medaillen wieder aberkannt.

Besonders die 100 Meter sind ein "Sündenpfuhl": Wenn die Post auf der prestigeträchtigsten Leichtathletik-Strecke abgeht, ist den menschlichen Muskel-Maschinen jedes Mittel recht. Am Samstag stehen in Peking die schnellsten Männer der Welt, am Sonntag die Frauen im Rampenlicht - und unter Generalverdacht!

Ben Johnson (Stanozolol/1988 und 1993), Dennis Mitchell (Testosteron/1998), Dwain Chambers (THG/2004), Tim Montgomery (2005), Justin Gatlin (Testosteron/2006) - alle gedopt. Auch Katrin Krabbe (Clenbuterol/1992), Kelli White (Modafinil/2003) und Torri Edwards (2004/Nikethamid) erwischte es. Die geständige Dopingsünderin Marion Jones sitzt wegen Meineids seit dem 7. März sogar im Gefängnis. Vor den Olympischen Sommerspielen in Peking bat sie US-Präsident George W. Bush um Begnadigung.

BALCO-Labor als "Doping-Paradies"
Trevor Graham, lange Jahre Trainer der inzwischen gesperrten 100-Meter-Weltrekordler Montgomery und Gatlin sowie von Jones, hatte in Raleigh/North Carolina ein richtiges Dopingzentrum aufgebaut. Nun drohen ihm fünf Jahre Haft. Die US-Anti-Doping-Agentur (USADA) hat ihn lebenslang gesperrt. Der 44-jährige gebürtige Jamaikaner ist auch wegen Meineids im Zusammenhang mit Doping angeklagt. Im kalifornischen BALCO-Labor "erfanden" Chemiker neue Designerdrogen wie THG, BALCO-Chef Victor Conte verteilte die Mittel an Athleten und Trainer.

Drei Jahre nach seinem Weltrekord (2002 - 9,78 Sekunden) stürzte der US-Amerikaner Montgomery im Zuge der BALCO-Ermittlungen über für ihn folgenschwere Indizien. Der Lebensgefährte von Marion Jones wurde im Dezember 2005 vom Internationalen Sportgerichtshof (CAS) wegen Doping rückwirkend für zwei Jahre gesperrt und erklärte seinen Rücktritt. Der tiefe Fall ging aber noch weiter: Montgomery wurde Heroinhandel vorgeworfen. Im Prozess wegen Drogenbesitzes bekannte er sich schließlich vor Gericht schuldig. Im Mai wurde der gestürzte Sprinter wegen Geldwäsche und Scheckbetrugs zu einer Haftstrafe von 46 Monaten verurteilt.

Gatlin stolpert über Testosteron
Auch sein Landsmann Justin Gatlin durfte sich nicht lange mit dem Superlativ "schnellster Mann der Welt" schmücken. Am 12. Mai 2006 stellte er den Weltrekord des Jamaikaners Asafa Powell ein (9,77), am 29. Juli gestand der Olympiasieger und Doppel-Weltmeister den Sündenfall: Testosteron. Am 6. Juni schmetterte der CAS den Antrag Gatlins ab, seine ohnehin bereits verkürzte Achtjahressperre noch einmal halbieren zu lassen.

Bis zum 25. Juli 2010 bleibt Gatlin gesperrt, die Trotzreaktion kennt man - so oder ähnlich - von anderen "unschuldigen" Dopingsündern. "Ich werde weiter um mein Recht kämpfen, an der großartigen Sportart Leichtathletik innerhalb eines Zeitrahmens kürzer als vier Jahre teilzunehmen", kommentierte der Olympiasieger die CAS-Entscheidung und beteuerte: "Ich war nie in irgendwelche internationale Doping-Machenschaften verstrickt."

"Die größte Herausforderung für unsere Sportler ist, die Öffentlichkeit zu überzeugen, dass sie sauber sind und ohne Doping mithalten können. Unsere heutigen Athleten haben verstanden, dass sich Betrug nicht lohnt, da man gefasst wird", sagte der dreifache Hürdensprint-Weltmeister Greg Foster aus den USA. Ob wirklich jeder verstanden hat? Ben Johnson jedenfalls nicht: 1993, fünf Jahre nach dem Sündenfall von Seoul, wurde der Kanadier erneut erwischt und für immer aus dem Verkehr gezogen...

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