Energiebündel

Alanis Morissette in Wien

Musik
03.07.2008 10:50
Keine "Wohlgerüche der Verwirrung", wie ihr aktuelles Album "Flavours of Entanglement" heißt, dafür Trost, Rat und jede Menge Euphorie spendete Alanis Morissette bei ihrem Konzert am Mittwochabend im Wiener Gasometer. Die gebürtige Kanadierin präsentierte sich als quicklebendiges Energiebündel, "rund und g'sund" mit formvollem Idealgewicht an den Hüften, und unterhielt die rappelvolle Halle anderthalb Stunden lang mit alten Hits und den spannenderen Songs der neuen Platte.
(Bild: kmm)

"Flavours of Entanglement" ist die endgültige Abkehr Morissettes vom klassischen Singer/Songwriter-Arrangement mit lieblichen Akustikgitarren und poppigen Keyboards. Stattdessen hat die Kanadierin mit der von Guy Sigsworth produzierten Platte ihr wohl größtes Highlight seit "Jagged Little Pill" hingelegt. Elektro-lastige Songs mit mal kritischen mal tief depressiven, angsteinflößenden und grantigen Texten - und eine stellenweise recht harte Gangart, die man von der 34-Jährigen bisher nicht gewohnt war.

Den Auftakt machte beim Konzert nach einem kurzen Intro eine Brutalo-Version von "Uninvited", bei der schon zum Beginn klar gemacht wurde, wie der Hase den Abend über laufen sollte. Der bis kurz vor der Zugabe viel zu dumpfe und unkantige Sound konnte die Stimmung in der seit 1. Juli vom Planet Music übernommenen und am Mittwoch tadellos bewirteten BA-Halle dennoch nicht trüben. Die Energieschübe, die eine sich scheinbar unkontrolliert und außer Rand und Band bewegende Alanis ins Publikum projizierte, machten den fehlenden Druck der Lautsprecher allemal wett.

"Head Over Feet", "Eight Easy Steps", "Perfect" legt sie nach, bevor mit "Citizen Of The Planet" der Eröffnungstrack des neuen Albums abgefeiert wird, auf dem sie - wie schon bei "Jagged Little Pill" - Trennungsschmerz und Depression verarbeitet, aber auch einen gewissen Ärger auf die Welt an sich. Bei "Limbo No More" - ein Song, der nur auf der Deluxe-Version von "Flavours Of Entanglement" vorhanden ist, wurde es dann zwischendurch sehr speziell. "Versions Of Violence" bretterte durch die Halle, bevor sie sich nach "That Particular Time" zum ersten Superhit "Hand In My Pocket" aufschwang. Die drei Akkorde, die der Song im Original hat, reichen der 34-Jährigen jetzt wohl nicht mehr. Das Resultat war eine entrückte, viel sensibler gespielte Version, die mit den laut mitsingenden Zuschauern zwar zur Hymne geriet, aber trotz fleißigem Mundharmonika-Einsatz halt doch nicht mit dem Charme des Originals verzaubern konnte.

Die beiden Highlights der Show: "Moratorium" - ein Triphop-mäßiger Song vom aktuellen Album mit einem der genialsten Texte, die Alanis je geschrieben hat - und die ewige "Du Arsch hast mich verlassen und jetzt kriegst du's"-Hymne "You Oughta Know" vom ewigen Hit-Album "Jagged Little Pill", dessen Impact Morissette derweil sie lebt nicht mehr erreichen wird. Nach "Tapes" - einer der nachdenklicheren neuen Songs - legt zuerst die Chefin, dann nach der Reihe die Mitglieder ihrer fünfköpfigen All-Men-Band das Instrument nieder. Frenetischer Jubel bricht aus, Morrissette kehrt zurück, spielt die aktuelle Single "Underneath" nur mit Klavierbegleitung. Als sie dann nach "You Learn" erneut abgeht, raunt die Menge kurz, um sie danach wieder laut herbeizuklatschen.

"Ironic" kommt, im Kollektiv gesungen und mit leichten Änderungen: Morrissette, die in ihren TV-Rollen bei "Sex And The City" und "Nip/Tuck" bisher immer nur Lesben spielen durfte (oder wollte), mokkiert sich in der letzten Strophe über den Ehemann statt der Ehefrau des Traummannes. Spitzbübisches Gelächter. Danach gab's mit "Thank U" einen letzten stimmlichen Höhenflug (die neuen Rundungen machen's möglich) mit hohem Gänsehautfaktor.

Von Christoph Andert
Fotos: Andreas Graf

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