"Gnadenrecht"

Zweifel an humanitärem Bleiberecht

Österreich
13.06.2008 14:24
Das humanitäre Bleiberecht war am Freitag Gegenstand der ersten öffentlichen Verhandlung des neuen VfGH-Präsidenten Gerhart Holzinger (im Bild). Konkret ging es um die Frage, ob Betroffene selbst das Recht haben müssen, eine humanitäre Niederlassungsbewilligung zu beantragen. Derzeit kann dieser Aufenthaltstitel nur "von Amts wegen" - und nur mit Zustimmung des Innenministers - beantragt werden. Während der Verhandlung äußerten die Richter teils recht deutlich ihre Zweifel an der Verfassungskonformität der Bestimmungen. Das Verfahren zum Bleiberecht sei ein Gnadenrecht, das im demokratischen Staat keinen Platz mehr habe, meinte etwa einer der Richter. Der Fall Arigona Zogaj soll in einem eigenen Verfahren behandelt werden.

Der humanitäre Aufenthaltstitel kann Betroffenen von Behörden erteilt werden, wenn ihr reguläres Aufenthaltsverfahren negativ beschieden worden ist. Voraussetzung sind "besonders berücksichtigungswürdigende Gründe"  - also etwa, wenn ihnen in ihrer Heimat Gefahr droht. Ob dies auch den Schutz des Privat- und Familienlebens umfasst, war eine zentrale Frage der Verhandlung.

Die Vertreter der Regierung bejahten dies und verwiesen auf die Vorverfahren, bei denen die Relevanz des Artikels 8 der Menschenrechtskonvention bereits ausreichend geprüft werde. Seitens der Verfassungsrichter wurde dem entgegengehalten, dass auch im Verfahren zum humanitären Bleiberecht  jeder Einzelne das Recht haben müsse, den Schutz auf Privat- und Familienleben zu beantragen.

Verfahren zum Bleiberecht ist ein Gnadenrecht
Die VfGH-Kritik an den Bestimmungen wurde in der Verhandlung teilweise recht deutlich geäußert: Das Verfahren zum Bleiberecht sei ein Gnadenrecht, das im demokratischen Staats keinen Platz mehr habe, meinte etwa einer der Richter. Die Regelungen stammten aus einer Zeit, in der der Bürger polizeistaatlicher Untertan gewesen sei, hieß es weiter.

Wie viele Verfahren von " Amts wegen", also von den Behörden in der Praxis eingeleitet wurden, konnte der Vertreter des Innenministeriums nicht sagen. Man führe keine statistischen Aufzeichnungen, meinte er auf eine entsprechende Frage der Richter. Er warnte jedenfalls vor einer massiven Antragsflut bei den Landesbehörden im Falle einer Aufhebung der derzeitigen Bestimmungen.

Die freitägliche Sitzung war Teil des Gesetzesprüfungsverfahrens, das der VfGH im Oktober 2007 selbst eingeleitet hat. Mitbehandelt wurde auch der Antrag des Landes Oberösterreich vom Dezember, mehrere Bestimmungen zum Bleiberecht aufzuheben. Wann es ein Urteil des VfGH in der Causa geben wird steht laut VfGH-Sprecher Cristian Neuwirth noch nicht fest.

Eigenes Verfahren im Fall Zogaj
Um die Causa Zogaj ist es in der Verhandlung nicht gegangen. Die Beschwerden Arigonas und ihrer Mutter - dagegen, dass Innenminister Günther Platter (V) ihnen keine humanitäre Niederlassungsbewilligung erteilt - werden in einem eigenen Verfahren behandelt.

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