Video-Experiment

Jude in Paris: 10 Stunden Beschimpfungen und Angst

Ausland
17.02.2015 11:08
Was passiert, wenn ein Mann mit der jüdischen Kopfbedeckung Kippa wortlos durch die Straßen von Paris spaziert? Dieser Frage ist der Journalist Zvika Klein von der jüdischen Nachrichtenseite "NRG" mit versteckter Kamera nachgegangen. Das Ergebnis an dem Ort, wo erst vor einem Monat vier Juden bei der Supermarkt-Geiselnahme nach dem "Charlie Hebdo"-Anschlag getötet wurden, ist erschreckend: Klein wurde beschimpft und bespuckt. Ein Bub fragte gar seine Mutter, ob der Mann denn nicht wisse, dass er hier getötet werde.

Seit einigen Wochen herrscht Angst unter Europas Juden, immer wieder kommt es zu Attacken: sei es das Attentat in Paris, der Mord an einem Sicherheitsmann einer Synagoge in Dänemark - der den Attentäter am Betreten hinderte, die Anwesenden warnte und so ein Blutbad verhinderte - oder die Schändung mehrerer Hundert Gräber in Sarre-Union im Osten Frankreichs am Sonntag.

Doch wie fühlt sich ein Jude im öffentlichen Leben - und vor allem, wie wird ihm begegnet? Zvika Klein ging zum Test zehn Stunden lang schweigend durch verschiedene Stadtteile von Paris, mit einer Kippa als sichtbarem Zeichen seines Glaubens.

Beschimpft, bespuckt, bedroht
Was er erlebte, zeigt ein Zusammenschnitt (oben ansehen). Ob er Jude sei, wird er etwa im Vorbeigehen gefragt, er wird von Gruppen junger Männer lautstark als "Hund" und "Homo" beschimpft, ein anderer Mann verfolgt ihn geradezu. Ein Teenager ruft "Es lebe Palästina" und von manchen Passanten wird Klein gar bespuckt.

Vom Eiffelturm über jüdische Nachbarschaften bis hin zu mehrheitlich muslimischen sei er - unauffällig begleitet von einem Bodyguard und einem Fotografen mit versteckter Kamera - unterwegs gewesen, berichtet Klein im "NRG"-Artikel. Während es rund um die Touristenattraktionen recht ruhig gewesen sei, habe er in anderen Gegenden Angst bekommen - durch "hasserfülltes Starren, aggressive Bemerkungen und die feindselige Körpersprache".

"Es hätte einen Lynchmord gegeben"
In einem Café sei mit dem Finger auf ihn gezeigt worden, kurz darauf hätten ihn zwei Schläger an der Kreuzung abgepasst, beschimpft und bespuckt, berichtet Klein weiter. Sie hätten deutlich zu verstehen gegeben, dass er nun besser verschwinden sollte: "Ein paar Minuten mehr und es hätte einen Lynchmord gegeben", warnte der Bodyguard. Ein kleiner Bub sei so schockiert gewesen, einen Juden in seinem Viertel zu sehen, dass er gefragt habe: "Was macht er hier, Mama? Weiß er denn nicht, dass er getötet wird?" Ein Händler wiederum rief lautstark: "Er soll sich schämen. Warum geht er hier mit einer Kippa rein?" Immerhin kam ein anderer zu Kleins Verteidigung: "Was interessiert dich das? Er kann tun, was er will."

Kleins Fazit: Es gebe in Paris Nachbarschaften, die für Juden tabu seien. Diese Diskussion ist in den vergangenen Monaten immer wieder aufgekommen - auch wenn Politiker in diversen europäischen Ländern teils das Gegenteil behaupten oder zumindest versichern, alles für die Sicherheit der jüdischen Bevölkerung zu tun. Die immer stärkere Angst ebenjener Menschen machte zuletzt Israels Premier Benjamin Netanyahu zum Thema, als er sagte, Juden seien in Europa nicht mehr sicher und sollten ins Heilige Land auswandern.

"Ist das das Leben für die Juden?"
Ihre Heimat verlassen und sich einschüchtern lassen wollen viele europäische Juden aber nicht. Dass ihre Einrichtungen ständig von schwer bewaffneten Polizisten beschützt werden müssen, kann aber naturgemäß auch keine Lösung sein. Genauso wenig wie eine unsichtbare Kippa, die jüngst in Israel vorgestellt wurde, zu tragen, nur um nicht zum Angriffsziel zu werden und täglich Angst zu haben, sein eigenes Viertel zu verlassen. "Ist das das Leben für die Juden von Paris?", fragt Journalist Klein daher. "Ist es das, wo ein Jude tagein, tagaus durch muss, während er zur Arbeit geht oder die öffentlichen Verkehrsmittel benützt?"

Die Mehrheit der französischen Juden gehe aus diesem Grund schon gar nicht mehr mit sichtbaren Zeichen ihres Glaubens aus dem Haus, so Klein. Jüdische Gemeindeführer hätten die Devise ausgegeben, nur noch mit Hut unterwegs zu sein. Und in der Nacht? "Juden bleiben am Abend lieber zu Hause. Es ist sicherer zu Hause."

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