Ins Wachkoma gewürgt

„Der Täter kommt frei, aber wir haben lebenslang!“

Oberösterreich
13.01.2018 06:48

Am 13. Mai 2013 wurde die damals 17-jährige Jacintha B. von ihrem Ex-Freund Andreas R. in Lenzing so lange gewürgt, bis sie sich nicht mehr rührte. Die Jugendliche war minutenlang ohne Sauerstoff, wurde zwar reanimiert, erlitt aber schwerste Hirnschäden. Für ihre Angehörigen bedeutet ihr Anblick seither eine tägliche Qual.

Der Anblick ist herzzerreißend: Jacintha B. (22) liegt reglos auf der Wachkoma-Station des Pflegeheims Schloss Cumberland in Gmunden. In ihrer Luftröhre steckt eine Kanüle, sie wird über Sonden künstlich ernährt, in regelmäßigen Abständen muss ihr Schleim abgesaugt werden, weil sie nicht selbst schlucken kann. Damit Jacintha nicht wund liegt, wird ihr Körper alle zwei Stunden umgedreht.

"Manchmal reißt sie den Mund auf"
"Sie ist seit viereinhalb Jahren wie tot, kann nicht einmal den kleinen Finger rühren, nur die Augen auf und zu machen - keiner weiß, ob sie etwas sieht", sagt ihre Mutter Margit B.
Die Tochter bringt auch keine Töne mehr heraus. "Manchmal reißt sie den Mund auf, so als ob sie schreien würde - das dauert 20 bis 30 Minuten und ist ganz furchtbar, weil wir nicht wissen, ob sie vielleicht Schmerzen hat", erzählt B.

"Wir hoffen auf ein Wunder"
Jacintha reagiert auf nichts, obwohl ihre Angehörigen sie täglich besuchen, mit ihr reden und ihr ihre Lieblingsmusik vorspielen. "Wir hoffen halt immer noch auf ein Wunder", sagt die Mutter. Dass sich der Zustand ihres Kindes jemals wieder bessern könnte, scheint laut Ärzten aber so gut wie aussichtslos.

Freigänge für Täter
Andreas R. (24) wurde im Jänner 2014 wegen des Mordversuchs zu 9 Jahren Haft verurteilt, die Strafe verbüßt er in Garsten. Seit einem halben Jahr bekommt er Freigänge genehmigt. "Er hat mit seinem Vater sogar schon eine Bergtour gemacht", weiß Margit B. Der Ex-Freund kann vermutlich bald einen Antrag auf eine vorzeitige bedingte Entlassung stellen.

Appell an die Politik
"Das tut furchtbar weh - während unsere Tochter kein Leben mehr hat, ist er vielleicht in Kürze ein freier Mann. Der Andreas kommt frei, aber wir haben lebenslang", sagt B.
Sie appelliert an die Politik, endlich Rahmenbedingungen zu schaffen, bei denen nicht ausschließlich auf die Täter, sondern mehr auf die Opfer geschaut werde.
"Resozialisierung in allen Ehren, doch in Fällen wie diesen erscheint das unverhältnismäßig", betont auch Gerlinde Füssel, Linzer Anwältin im Auftrag des Weißen Rings.

Jürgen Pachner, Kronen Zeitung

Ein Neuanfang ist kaum möglich
Man kann und möchte sich nicht zu genau vorstellen, wie es Eltern ergehen muss, deren geliebtes Kind - das soeben noch an der Schwelle zum Erwachsensein stand und eine prächtige Zukunft zu haben schien - plötzlich als 100-prozentiger Pflegefall vor einem liegt. Man erkennt zwar den Körper, die Person ist aber nicht mehr dieselbe. Im Fall Jacintha sind es irreparable Gehirnschäden, die jede Kontaktaufnahme unmöglich machen.
Seit dem Mordversuch ist für die Familie nichts mehr, wie es war. Die täglichen Besuche sind eine unglaubliche psychische und finanzielle Belastung. Der Täter kann nach Verbüßung der kurzen Strafe neu anfangen, die Familie nicht . . .

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