Radfahren in Wien

Ciao Stau: Das Gefühl der Freiheit

Österreich
09.11.2017 15:07

Wo der Ritt auf dem "Drahtesel" ein einziger Genuss ist, und an welchen Stellen der Spaß schnell aufhört: Subjektive Eindrücke eines mit dem Rad nur selten rasenden "Krone"-Reporters.

Ich liebe mein Fahrrad. Es war schon immer mein Hauptverkehrsmittel. Ich fuhr damit zur Schule und zur Uni - und jetzt düse ich auf zwei Rädern in die Arbeit. Es gibt für mich nichts Besseres.

Der englische Journalist Robert Penn beschreibt dieses Hochgefühl ungemein treffend: "Wenn Sie auf dem Fahrrad jemals das Gefühl der Freiheit empfunden haben, wenn Sie sich, als Sie wie ein Vogel einen langen Hügel hinuntersausten, jemals gefragt haben, ob die Welt gerade stillsteht, wenn Sie auch nur einmal auf einem Rad saßen und Ihr Herz zu singen begann, dann teilen wir etwas Elementares. Wir wissen vom Glück auf zwei Rädern."

Dieses zeigt sich mir fast täglich. Wenn ich bei der Stadionbrücke in Wien auf den Radweg am Donaukanal komme, steht oft alles. Ich aber sage: "Ciao Stau", komme gut gelaunt und fit in der Redaktion in der Muthgasse an. Nach Hause nach St. Marx fahre ich häufig über die Donauinsel und durch den Prater. Diese Anbindungen sind ein Geschenk!

Aber dann gibt es da auch noch den Wiener "Straßendschungel". Ich weiß, wie ich mich darin zu verhalten habe. Ich fahre nicht bei Rot über die Ampel, ich höre keine Musik beim Fahrradfahren. Ich schaue nicht aufs Smartphone. Ich fahre mit Licht, zwei Bremsen, Schulterblick - und bleibe beim Stoppschild stehen. Nur kennen viele andere Radfahrer diese Pflichten nicht. Während sie rücksichtslos unterwegs sind, fahre ich hier lieber defensiv. Vor allem, wenn ich meinen Sohn hinten im Kindersitz habe.

Völlig unberechenbare Gefahrenquellen
Wenn man gemütlich unterwegs ist, fallen einem sonderbare Dinge auf. Warum wollen einige Radfahrer vor einer roten Ampel nicht mit den Füßen den Boden berühren? Sie wackeln lieber hin und her, stellen so eine unberechenbare Gefahrenquelle dar. Ich habe schon erlebt, wie so ein Dilettant das Gleichgewicht verloren und neben sich ein Rad mit Mutter und Kind abgeräumt hat. Ebenfalls speziell: Ein Bus überholt, fährt rechts ran. Dann zischt wieder der Radler vorbei, dann wieder der Bus. An jeder Haltestelle wechselt die Führung.

Da ist radfahren nervenaufreibend und gefährlich. Das gilt auch bei rückwärts aus Schrägparkplätzen kommenden Pkws, plötzlich aufgehenden Autotüren und Straßenbahnschienen. Aber all das gibt es zum Glück auf meinem Arbeitsweg nicht.

Matthias Mödl, Kronen Zeitung

Citybike-Chef im Interview: "Unser System ist weltweites Vorbild"

"Krone": Mit ofo, oBike und Donkey Republic ist die Konkurrenz auf dem Bike-Sharing-Markt dieses Jahr gestiegen. Was sind die Unterschiede zwischen den Anbietern?
Hans-Erich Dechant: Citybike Wien bietet allen die Möglichkeit, sich gratis ein Rad für die Fahrt von A nach B auszuborgen. Dabei bieten wir allen die Möglichkeit, unsere Räder zu nutzen - ohne Kreditkarte und Smartphone. Damit sind wir bis heute einzigartig.

Es gibt immer wieder Beschwerden über nicht korrektes Abstellen der ausgeborgten Fahrräder. Da sind jetzt fixe Spielregeln angedacht. Wie sehen Sie das?
Diese Erfahrung hat man bereits 2002 gemacht. Daraufhin wurde das System Citybike Wien mit fixen Stationen entwickelt. Dieses Konzept hat sich international bewährt, alle funktionierenden städtischen Systeme weltweit basieren auf unserem Vorbild. Spielregeln haben nur dann einen Sinn, wenn ihre Einhaltung auch durchgesetzt werden kann.

Wenn ein Kunde Fehlverhalten an den Tag legt, kann man ihm die Nutzungsrechte entziehen. Wie definieren Sie Fehlverhalten?
Wenn ein Kunde ein Rad nicht an einer Station zurückgibt, kann er kein weiteres ausleihen, bis der Vorfall geklärt ist.

Oft diskutiert wird das Nummerntaferl fürs Fahrrad. Wie stehen Sie dazu?
Citybikes haben eine Nummer, aber das Ausforschen von Verkehrssündern war noch nie nötig.

Ärger über "Wildparker"
Seit das Bike-Sharing in Wien einen Boom erlebt, steigen gleichzeitig bei der Polizei die Beschwerden über nicht ordnungsgemäß abgestellte Räder massiv, die etwa den Gehsteig blockieren. Für die Anbieter wird das zum Problem: oBike verfügt über 800 Leihräder in Wien, die mittels App entsperrt werden können. Um das "Wildparken" einzudämmen, gibt es jetzt Erklär-Videos für Benutzer zum korrekten Abstellen und ein Bonus-Malus-System. "Wir wollen jene belohnen, die sich an die Regeln halten", so Geschäftsführer Daniel Junge.

Auf den oBikes sind zudem Pickerl mit der Nummer einer Hotline angebracht, wo die blockierten Räder gemeldet werden können. Ein Serviceteam holt sie dann ab. Allerdings kann das mitunter etwas dauern, da es derzeit nur zwei Mitarbeiter gibt, die sich um die 800 Leihräder kümmern.

Ein weiteres Problem ist der Vandalismus. Hier sind den Anbietern aber die Hände gebunden. "Seit dem Start mussten wir bereits 100 Räder austauschen, weil sie defekt waren", schildert Junge.

Daten und Fakten

  • Laut Schätzung der Stadt Wien gibt es eine Million Fahrräder in der Stadt.
  • Österreichweit gibt es mehr als 370.000 E-Bikes.
  • Das Wiener Radverkehrsnetz erstreckt sich über 1346 Kilometer.
  • Auf einer Länge von 273 Kilometern ist Fahren gegen die Einbahn erlaubt.
  • Es gibt 42.584 öffentliche Abstellplätze für Fahrräder in Wien.
  • Bike-Sharing erlebt einen wahren Boom in Wien. Neben Citybike Wien gibt es die internationalen Anbieter Donkey Republik, ofo und oBike.
  • 2016 wurden bei 967 Unfällen mit Fahrradbeteiligung und Personenschaden in Wien zwei Radfahrer getötet.

Clemens Zavarsky, Kronen Zeitung

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