Malta am Pranger

Topjurist: Auch andere EU-Staaten verkaufen Pässe

Ausland
06.11.2017 06:16

"Mit 'Goldenen Visa' zur 'goldenen Nase'" oder "Superreiche Russen und Ukrainer kaufen EU-Pässe": So oder ähnlich lauteten erst vor Kurzem wieder die Schlagzeilen. Vor allem Malta und Zypern werden teils scharf kritisiert, weil sie ein Milliardengeschäft mit wohlhabenden Drittstaatsangehörigen aufgezogen haben, denen sie das Tor nach Europa öffnen. Aber stehen die beiden EU-Staaten zu Recht am Pranger dafür, gegen Bezahlung EU-Staatsbürgerschaften anzubieten? Im Gespräch mit krone.at erläutert der Wiener Topjurist und Unternehmer Erich Gemeiner, der Klienten auf Malta betreut, warum es sich um ein "europäisches Problem" handelt - und auch zum Teil scharfe Kritiker selbst ähnliche Programme im Verborgenen durchführen.

Erst Mitte September war Zypern ins Visier der Kritiker geraten: Die Regierung des EU-Mitgliedsstaates verkauft seit einigen Jahren Visa und Staatsbürgerschaften an Ausländer - und verdiente damit bislang laut einem Bericht des britischen "Guardian" rund vier Milliarden Euro. Die Existenz solcher Programme ist seit Jahren bekannt und umstritten, da sie eine Eintrittskarte für alle EU-Länder sind - mit dem Recht, sich dort frei zu bewegen. Erstmals war die Praxis in Verbindung mit Zypern im Jahr 2013 in die Schlagzeilen geraten.

Konkret handelt es sich um die Möglichkeit für wohlhabende Drittstaatsangehörige, über Investitionen eine Niederlassungsbewilligung oder gar eine Staatsbürgerschaft zu erhalten. In Malta ist das entsprechende Programm auf 1800 Hauptantragsteller (Ehepartner, Eltern und auch fürsorgepflichtige Kinder können mitbeantragt werden; Anm.) limitiert - hat also, sofern kein neues Programm aufgelegt wird, ein fixes Ende. Das Kontingent dürfte bereits zu 50 Prozent erschöpft sein.

"Ähnliche Praktiken auch in anderen EU-Staaten"
Mit scharfer Kritik an der Praxis konfrontiert, verwies die Regierung in Nikosia auf ähnliche Praktiken "auch in anderen EU-Staaten". Die Praxis der "Goldenen Visa" sei demnach nichts Neues. Auch in Portugal, Irland, Griechenland, Ungarn, Malta und Bulgarien bekämen Investoren EU-Pässe. Fakt ist: Zypern ist längst nicht das einzige Land in der EU, das gegen Geld Aufenthaltsgenehmigungen oder Staatsbürgerschaften vergibt. So winkt beispielsweise für "außerordentliche Leistungen" im volkswirtschaftlichen Interesse auch in Österreich ein Pass. Aber sobald Geld im Spiel ist, heißt es meist, es werde "zwielichtigen Gestalten" das Tor zur EU geöffnet.

Konkret auf Malta angesprochen, gibt der Wiener Jurist Erich Gemeiner im Gespräch mit krone.at zu bedenken: "Über das Programm an sich kann man streiten, gar keine Frage. Aber das Ziel Maltas ist, dass sie die Staatskasse auffüllen und den Wirtschaftsstandort zu stärken - und wenn sie schon Leute aufnehmen, dann wollen sie wenigsten welche, die entsprechendes Kapital ins Land bringen. Das ist nicht billig. Die ganzen Checks, die 'Due Diligence', verhindern zwielichtige Gestalten eigentlich." Demnach handle es sich bei Malta und wohl auch Zypern noch um jene Staaten, die bei dieser Praxis am transparentesten agieren.

Einbürgerung innerhalb eines Jahres
Gemeiner weiß, wovon er redet. Er ist Rechtsanwalt sowie unter anderem Miteigentümer und Geschäftsführer des Beratungsunternehmens GGA Advisory und des Sicherheits- und Detekteiunternehmens TRIAS Solutions mit Sitz in Wien und berät betuchte Investoren in der Thematik. Der Topjurist führt über seine Kanzlei und Firmen in Absprache mit seinen Partnern in Malta die Backgroundchecks über jene Klienten durch, die auf der Mittelmeerinsel in Immobilien investieren möchten - um im Zuge eines knapp ein Jahr langen Prozesses schließlich die maltesische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Eine Niederlassungsbewilligung winkt schon viel früher, wenn die Voraussetzungen passen.

Die Prüfung läuft so ab: Interessenten, die sich bei Gemeiners Kanzlei melden, durchlaufen zunächst einen Vorcheck mit einem eigenen Fragebogen. "Da geht es um Gehalt, Vermögen, Firmengeflechte, Staatsbürgerschaft, familiäre Situation und politische Aktivitäten, wir durchleuchten alles. Es ist auch wichtig, vorab zu wissen, ob es sich um einen aktiven oder ehemaligen Politiker handelt", erklärt der Anwalt im Gespräch mit krone.at.

"Wir stellen sicher, dass der Klient sauber ist"
Danach werden neben internationalen OSINT-Recherchen auch Quellen wie Firmenbücher, Interpol, Europol, WikiLeaks, Panama Papers und soziale Medien überprüft, um "sicherzustellen, dass alles okay und der Klient sauber ist". Die Finanzquellen und Kanäle, über die das Geld fließt, müssen ebenfalls vollkommen transparent sein. "Das ist der erste Schritt. Wer da nicht besteht, für den war's das", so Gemeiner. Seine Firmen würden alles im Vorfeld checken, betont der Anwalt. "Wir haben einen Ruf zu verlieren. Es wäre unseriös, für einen Klienten, der ohnehin nie eine Chance hätte, überhaupt einen Antrag einzubringen." Zu den Kunden zählen Russen, Ukrainer, Chinesen, der eine oder andere US-Amerikaner oder auch Kanadier. "Die Beziehung zu unseren Klienten basiert auf absoluter Verschwiegenheit und Vertrauen", Anfragen gebe es genug, so Gemeiner.

"Man liegt dem Staat nicht auf der Tasche"
Gefragt, was der Grund für das negative Image der Branche sei, antwortet der Anwalt, es sei "verrucht, wenn man sagt, 'ich lege Geld auf den Tisch und bekomme die Staatsbürgerschaft dafür'". Staatsbürger zu werden müsse man sich, wenn nicht durch Geburt, grundsätzlich immer verdienen. "Verdienen heißt, man muss sich gut benehmen, eine gewisse Zeit in dem Land gewohnt haben, einen Job haben, die Sprache lernen und sich integrieren. Es mag daher verrucht klingen, wenn verdienen auch Kapital sein kann." Es sei aber in Malta durchaus mehr als nur "Geld hinlegen und das war's". "Wichtig ist auch, dass man die erforderliche Finanzstärke aufweist und auch eine alle Risken abdeckende private Versicherung nachweist. Es kommt nicht zum Problem, dass man dem Staat auf der Tasche liegt."

"Oligarchen brauchen kein Staatsbürgerschaftsprogramm"
Malta habe demnach bezüglich zwielichtiger Gestalten die wenigsten Probleme. "Diese Gestalten bekommen wir alle. Wenn man bedenkt, welch große Zahl an Menschen während der Flüchtlingskrise zu uns gekommen ist, da sind nicht nur die 'Guten' und wirklich schutzbedürftigen Menschen eingereist." Das Geschäft, betont der Jurist, sei sauber. "Was sein kann, ist, dass sich Leute denken, Russen oder Chinesen wollen sich Einfluss in der EU kaufen. Aber wenn da von Oligarchen gesprochen wird, die brauchen kein maltesisches Staatsbürgerschaftsprogramm, um sich von irgendwo einen Pass zu holen. Das sind wahrscheinlich die Leute, von denen ich sage, die würde man gar nicht durchbringen."

Gemeiner ortet jedenfalls ein "europäisches Problem, das nicht ein spezifisches Problem der Malteser ist". "Unionsbürger sind Inländern gleichgestellt. Punkt. Das kommt nicht von Malta, das kommt nicht von Österreich. Das ist einfach so. Da müsste man die EU verurteilen. Und wenn man die EU dafür verurteilt, dann würden die europäischen Grundfreiheiten ad absurdum geführt werden."

Vollkommene Transparenz über neue Staatsbürger in Malta
In Malta müssten die verliehenen Staatsbürgerschaften wenigstens veröffentlicht werden, ergänzt der Anwalt. "Das ist gesetzlich geregelt. Wo bitte steht das in Portugal oder Spanien? Nirgends. Transparenter, finde ich, geht es nicht. Wenn man das in Österreich einführen würde, dass jeder, der eine Niederlassungsbewilligung oder Staatsbürgerschaft bekommt, mit Namen veröffentlicht wird, dann würde es einen Aufschrei geben wegen des Datenschutzes."

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