Dark Posts & Co.

Die Tricks der Politiker im Online-Wahlkampf

Web
12.10.2017 10:11

Das Wahlkampfjahr 2017 wird wohl nicht nur als eines der bisher schmutzigsten in die Geschichte eingehen, sondern auch als eines der modernsten. Noch nie haben die Parteien so viel Energie in das Werben um die Wählergunst im Internet investiert, noch nie war der Online-Wahlkampf ein so dominierendes Thema. Doch die Überzeugungsarbeit im Netz kommt nicht ohne Tricks aus.

Erschwindelte Facebook-Fans. "Dunkle" Postings, die nur einer bestimmten Zielgruppe angezeigt werden und diffuse Botschaften transportieren. Schmutzkübelei. Social Bots, die bestimmte Meinungen pushen. Die Möglichkeiten, mit denen politische Akteure in einer Wahlauseinandersetzung im Netz heute Stimmung machen, sind vielfältig.

Social Bots sind hierzulande kein Thema
Doch nicht alle diese Tricks wurden im österreichischen Wahlkampf auch genutzt. Social Bots, wie sie beim Brexit-Referendum der Briten oder der Wahl von US-Präsident Donald Trump eine große Rolle gespielt haben, wurden in Österreich kaum entdeckt.

Eine von der Austria Presse Agentur durchgeführte Analyse von rund 15.000 Wahlkampf-Postings auf Twitter ergab, dass Meinungsroboter wohl nur für 0,3 Prozent der gesamten wahlkampfbezogenen Twitter-Postings verantwortlich zu machen sind. Zum Vergleich: Im US-Präsidentschaftswahlkampf vergangenes Jahr stellte sich heraus, dass rund ein Drittel der Online-Gefolgschaft von Donald Trump aus Meinungsrobotern besteht. Hunderttausende Tweets und Facebook-Postings kamen in Wahrheit nicht von Menschen, sondern von Maschinen.

Rätselraten um Zuwachs bei Facebook-Fans
Während maschinelle Twitter-Meinungsmache hierzulande kein großes Thema ist, ging es beim Rennen um die meisten Facebook-Fans heiß her - inklusive vereinzelter Vermutungen, manch eine Partei könnte mit Tricksereien nachhelfen. Besonders die FPÖ fiel mit manch wundersamer Facebook-Fanvermehrung auf, etwa als FPÖ-Chef HC Strache an einem einzigen Tag 45.000 neue Fans erzielte und damit wieder den kurzzeitig vorn liegenden ÖVP-Chef Sebastian Kurz überholte. Für Aufruhr sorgten wenige Tage vor der Wahl auch 10.000 Fans, die Facebook Sebastian Kurz laut einem Zeitungsbericht aberkannt haben soll.

Ob es sich bei den Unregelmäßigkeiten um gekaufte Fans gehandelt hat? Nach Aussage der handelnden Akteure nicht. Bei der FPÖ hieß es auf Nachfrage, der erstaunliche Fan-Zuwachs sei Resultat der Zusammenlegung der Strache-Fanseite mit mehreren anderen Fanseiten. Und bei der Volkspartei kann man sich den plötzlichen Fan-Schwund, dem ein ebenso plötzlicher Fan-Zuwachs vorangegangen war, nicht erklären.

Automatische Likes und gekaufte Twitter-Follower?
In diesem Zusammenhang wurden in den letzten Tagen Vorwürfe laut, die Facebook-Seite von Sebastian Kurz werde bisweilen automatisch ohne das Einverständnis der Betroffenen "geliked". Dafür gibt es zwei mögliche Erklärungen: Entweder die auch von der FPÖ angeführte "Eingliederung" externer Fan-Seiten, wodurch deren Facebook-Fans zu jener der größeren Seite addiert werden. Oder automatische "Likes", die etwa durch Facebook-Apps mit den entsprechenden Berechtigungen verteilt werden können.

Unregelmäßigkeiten wurden auch beim Twitter-Auftritt mancher Kandidaten geortet. So scheint VP-Kandidat Kurz auf Twitter mehr Anhänger zu haben, als es Österreicher gibt, die den Kurznachrichtendienst nutzen. Konkret soll Twitter in Österreich laut dem Statistikportal Statista - Stand 2016 - rund 150.000 Nutzer haben. Die Facebook-Seite des ÖVP-Spitzenkandidaten hat allerdings 245.000 Follower. Ein Indiz dafür, dass Kurz entweder zahlreiche Fans aus dem Ausland hat oder - das legt das Analysetool twitteraudit nahe - die Hälfte der Gefolgschaft nicht aus realen Personen besteht.

Ein Ergebnis, zu dem das Analyse-Tool auch bei Kurz' Rivalen kommt: Unter SPÖ-Chef Christian Kerns rund 74.000 Twitter-Fans ist laut twitteraudit - das Tool versucht auf Basis der Aktivität der Fans zu errechnen, wie viele davon real sind - ebenfalls jeder zweite keine echte Person. Neos-Chef Matthias Strolz kommt auf ähnliche Fake-Follower-Werte, bei Peter Pilz geht das Tool von 40 Prozent Fake-Fans aus. Den höchsten Anteil echter Fans findet twitteraudit bei FPÖ-Chef Heinz-Christan Strache - 86 Prozent seiner Fans scheinen echt zu sein - und der grünen Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek. Bei ihr sollen laut twitteraudit 90 Prozent der Follower echt sein.

Dirty-Campaigning-Seiten überschatteten alles
Wie wichtig soziale Medien in der Überzeugungsarbeit der Parteien heute sind, zeigt sich auch am ultimativen Aufreger dieses Wahlkampfs: den vermutlich vom früheren SPÖ-PR-Söldner Tal Silberstein beauftragten Dirty-Campaigning-Seiten, mit denen ÖVP-Chef Sebastian Kurz schlecht gemacht werden sollte.

Hier geht es freilich nicht um die Zahlen - beide Fan-Seiten hatten eine überschaubare Gefolgschaft - sondern um die Methode an sich, immerhin wurden über die Facebook-Seiten gezielt Propaganda und Fake News verbreitet.

Es sind Methoden, die internationale Beobachter am Wahlkampf von US-Präsident Donald Trump kritisierten. Er konnte im Wahlkampf auf ein Heer junger Mazedonier zählen, die schnell erkannten, dass polarisierende Fake News über Trumps Gegnerin Hillary Clinton sich rasend schnell über soziale Medien verbreiten ließen und dabei unzählige Klicks generierten, die wiederum bares Geld bedeuteten.

Trumps nicht beauftragte Wahlkampfhelfer taten es des Geldes wegen, fälschten für ihre Aktivitäten sogar täuschend echt aussehende Nachrichtenseiten. Die Schmutzkübler des österreichischen Wahlkampfes sollen dagegen im Auftrag Silbersteins agiert haben, der auch die Rechnung dafür bezahlt haben soll.

FPÖ und Neos geben Dark Posts zu
Neben Fake News kam im Trump-Wahlkampf - das US-Magazin "Quartz" hat eine große Analyse zu Trumps Wahlkampftaktiken angefertigt - noch ein anderes Mittel zum Einsatz, das nun auch im heimischen Wahlkampf beobachtet wurde: Dark Posts. Dabei handelt es sich um nicht offiziell veröffentlichte Beiträge auf den Fan-Seiten der Parteien, die ganz gezielt bestimmten Zielgruppen als bezahlte Reklame angezeigt werden.

So können Parteien auf Facebook die ausgeschickten Botschaften spezifisch an bestimmte Personengruppen ausspielen, die beispielsweise auf Basis ihrer "Gefällt mir"-Angaben, ihrer Herkunft oder ihres Berufs ausgewählt werden - und zwar, ohne dass es die Gesamtheit der Facebook-Fans mitbekäme.

In Österreich setzen im Wahlkampf mehrere Parteien auf diese Methode. Neos-Sprecher Clemens Gaiger erklärte beispielsweise schon vor einigen Wochen: "Wir zeigen Studenten beispielsweise Facebook-Werbung zum Thema Hochschule und Bildung an oder Unternehmern Postings über Steuern und Lohnnebenkosten." Und auch bei der FPÖ gibt man den Einsatz von Dark Posts zu - "aber in einem sehr geringen Umfang".

Wie viel kostet der Wahlkampf im Social Web?
Ein Geheimnis blieb bis zuletzt, wie viel Geld die einzelnen Parteien für ihren Social-Media-Wahlkampf in Summe ausgegeben haben. Einzig die Neos geben sich transparent: Bei ihnen hat der Social-Media-Wahlkampf offiziell 90.000 Euro gekostet. Bei anderen Parteien gibt es Prozentwerte: Die Freiheitlichen haben laut eigenen Angaben 15 Prozent ihres Wahlkampfbudgets in den Online-Wahlkampf gesteckt.

Alle anderen Parteien hüllen den Mantel des Schweigens über die Ausgaben für ihren Online-Wahlkampf. Die Grünen sprachen nur von einem "ausreichenden" Budget, von der ÖVP gab es gar keinen Kommentar und die SPÖ ließ die Frage aus "strategischen Gründen" unbeantwortet. Das war freilich, bevor bekannt wurde, dass die Partei zumindest eine halbe Million Euro an ihren Wahlkampf-Söldner Silberstein bezahlt hat - und Teile dieses Geldes wohl auch in den Betrieb der alles überschattenden Dirty-Campaigning-Seiten geflossen sein dürften.

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