"Krone"-Interview

Überleben Sie die Wahl, Herr Wrabetz?

Österreich
01.10.2017 09:35

So viele Fernseh-Duelle gab's noch nie in einem Wahlkampf, und die Privatsender machen dem ORF ernsthaft Konkurrenz: Im Interview mit Conny Bischofberger spricht ORF-Chef Alexander Wrabetz (57) über Prinzip und Quote, Kurz und Pilz und seine persönliche Zukunft.

Freitagnachmittag im sechsten Stock des ORF-Zentrums, Büro des Generaldirektors. Alexander Wrabetz - dunkelblauer Anzug, weißes Hemd mit Hai-Kragen, goldschimmernde Krawatte und Dreitagebart - nimmt am Haupt des großen Besprechungstisches Platz, hinter ihm hängt ein farbintensives Wolfgang-Hollegha-Bild. "Das hat noch Gerd Bacher angeschafft", erklärt er, "er hat Kunst am Arbeitsplatz als Auftrag gesehen."

Zwei Wochen vor der Wahl zieht der Chef am Küniglberg Bilanz über einen Wahlkampf, wie er noch nie da war. Mehr als 60 Duelle, Debatten und Diskussionen gehen über die Bühne - und der ORF ist längst nicht mehr die einzige. "Aber die größte", betont Wrabetz, und seine Hände unterstreichen im Gespräch die - seiner Meinung nach unantastbare - Position des öffentlich rechtlichen Rundfunks.

"Krone": Herr Wrabetz, letzten Sonntag hat Puls 4 erstmals den ORF überholt. Die "Elefantenrunde" hatte 153.000 Seher mehr als der ORF. Hat das einen Kratzer im Selbstbewusstsein des ORF hinterlassen?
Alexander Wrabetz: Wir haben ein duales System im Fernsehen, und das ist gut so. Der Unterschied zwischen Puls 4 und dem ORF ist: Wir müssen mit unseren Informationssendungen jeden Tag eineinhalb Millionen Menschen erreichen. Wir sind und bleiben die wichtigste Informationsquelle, und die verlässlichste. Denn wenn die Konzernzentrale von Puls 4 in München einmal anders entscheidet, dann wird es diese Information nicht mehr geben. Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk hingegen gehört sie zum Auftrag.

Hat Puls 4 Ihren Respekt?
Die Frau Milborn macht das durchaus gut.

Also können wir uns auf einen kleinen Stich ins Herz einigen?
Nein! - Wrabetz macht abwehrende Handbewegungen. Dann lehnt er sich wieder zurück. - Schauen Sie: It's a free country. Wenn sich die Politiker entscheiden, zu zwei "Elefantenrunden" zu gehen, bevor sie zur echten "Elefantenrunde" kommen - das wird ja schon die bei uns sein -, dann nehme ich das zur Kenntnis.

Verstehen Sie's auch?
Mir tun die Politiker manchmal schon etwas leid. Die begegnen einander dauernd auf Sendung, und sehr häufig bei Privat-TV-Formaten, die bis hin zum Titel kopiert wurden, die eigentlich seit Jahrzehnten ORF-Formate sind. Sie diskutieren sogar stundenlang im TV vor 15.000 Leuten. Und das, obwohl sich die Menschen, wenn es ums Fernsehen geht, überwiegend im ORF, und wenn es um Print geht, überwiegend in der Kronen Zeitung informieren. Da hat sich trotz des digitalen Wandels nicht viel verändert.

Hat der ORF Fehler in der Planung gemacht? Die Privaten waren mit ihren Duellen allesamt früher dran.
Wir mussten ja als Erste unsere Termine offenlegen und danach haben die Privaten ihre Pläne gemacht. Aber was soll's. Das Publikum kann ja vergleichen und entscheiden, wo es besser informiert ist.

Sind die Diskussionen im ORF tatsächlich besser?
Jedenfalls schätzt das Publikum sie mehr. Das Resümee werden wir am Schluss ziehen. Nach unserer "Elefantentrunde" drei Tage vor der Wahl.

Welche Formate haben Sie persönlich angeschaut?
Ich zappe rein professionell durch ziemlich alle.

Peter Pilz hat sich bei Puls 4 dafür bedankt, dass sich der Sender ans ORF-Gesetz halte.
- Lacht. - Also ich schätze den Peter Pilz ... Er hat sich immer zu einem starken, unabhängigen ORF bekannt.

Warum schließen Sie ihn dann bei den relevanten Diskussionsrunden aus?
Unter dem Gesichtspunkt der Quote wäre es durchaus attraktiv gewesen, ihn auch einzuladen, weil er wirklich ein sehr fernsehtauglicher Politiker ist. Aber wir haben seit den 90er-Jahren eine Regel, dass man im Nationalrat in Klubstärke vertreten sein muss, um an den Konfrontationen bei uns teilzunehmen.

Eine Regel könnte man auch ändern, und nach Aktualität und Publikumsinteresse entscheiden.
Der ORF hat ein verlässliches Set an Regeln, das Gleichbehandlung sicherstellt, das nicht nach Lust und Laune verändert werden kann. Das war schon bei Richard Lugner im Bundespräsidentschaftswahlkampf so, oder bei Matthias Strolz, dem "Rising Star" der letzten Wahl. Trotzdem haben wir ihn nicht teilnehmen lassen und dann ein Verfahren vor der Medienbehörde geführt, die uns Recht gegeben hat.

Pilz klagt den ORF jetzt auf fünf Millionen Euro. Halten Sie es für möglich, dass er Recht bekommt?
Ich halte das für sehr unwahrscheinlich. Dass seiner finanziellen Forderung stattgegeben wird, halte ich sogar für ausgeschlossen. Außerdem hat Pilz die Klage erst angedroht.

Er hat als ersten Schritt die Klage beim Verfassungshof eingebracht, dann kommt die ORF-Klage.
Damit hat er natürlich viel mediale Aufmerksamkeit bekommen, der ORF als Reibebaum ... Aber das einzuklagen, was man eventuell als Klubförderung bekommen würde oder hätte, finde ich schon ein bisserl seltsam. Vor allem, weil Peter Pilz in den letzten 30 Jahren rund 5000 ORF-Auftritte hatte. Auch in der "ZiB" vom 18. September hatte er im übrigen 701.000 Zuseher und 29 Prozent Marktanteil, also deutlich mehr als bei Puls 4 in der "Elefantenrunde".

Sollte Peter Pilz mit seiner Liste in den Nationalrat einziehen, dann wäre das ein Beweis, dass man dafür nicht den ORF braucht, richtig?
Nicht richtig. Die meiste Information, dass er kandidiert, wie er kandidiert, warum er kandidiert, fand sehr wohl im ORF statt, in allen unseren Medien und Hunderten Beiträgen.

Die Unabhängigkeit war auch Thema einer Diskussion um den Moderator der Sommergespräche, Tarek Leitner, der einmal mit Christian Kern auf Urlaub war. Sie haben ihn zuerst verteidigt, dann aber doch von den Wahlkonfrontationen mit Kern abgezogen. Warum?
Tarek Leitner ist einer unser erfahrensten, kompetentesten und beliebtesten Journalisten ...

Wer kommt in der Beliebtheit nach ihm?
An zweiter Stelle Nadja Bernhard, auf Platz drei Peter Resetarits. Durch diese Debatte ist sehr viel Druck aufgebaut worden - auch mit tief persönlichen Angriffen - und daher fand ich es gut, dass Tarek Leitner diesem Druck in der Folge nicht weiter ausgesetzt war. Auf Basis des Dienstplans der "ZiB 1" hat sich das außerdem so ergeben.

Herr Wrabetz, Sie haben unlängst die "Agenda 2025" - wie der ORF zukunftsfit gemacht wird - vorgestellt. Werden Sie die noch umsetzen oder schon andere?
Ein Zukunftsrezept für ein Unternehmen darf ein Manager nicht von der eigenen Zukunft abhängig machen. Deshalb habe ich die Rahmenbedingungen für einen starken ORF bis zum Jahr 2025 festgelegt, unabhängig davon, ob ich dann selber noch dafür verantwortlich bin. Ich bin jetzt einmal bis 2021 bestellt.

Sebastian Kurz liegt in den Umfragen zur Wahl in zwei Wochen klar vorn, eine schwarz-blaue Koalition scheint sehr wahrscheinlich. Werden Sie die Wahl überleben?
Davon gehe ich aus. Ich denke kaum, dass eine allfällige neue Regierung damit berühmt werden will, dass sie als erste Maßnahme gleich einmal beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Führung austauscht.

Aber vielleicht als zweite?
Natürlich würden auch viele andere gerne diesen wunderbaren Platz hier einnehmen und führen sicher Gespräche mit Politikern dazu, um sich zu positionieren, das war immer so. Ich versuche, meine Arbeit gut zu machen, und zwar gut für das Publikum und nicht beeinflusst von anderen Faktoren. Nach elf Jahren stellt sich da eine gewisse Gelassenheit ein.

Ihr Vater war ja früher FPÖ-Anwalt, und Ihr gutes Verhältnis zum blauen Stiftungsrat Norbert Steger ist bekannt. Könnte Ihnen das bei einer neuen Konfiguration helfen?
Da sehe ich keinen Zusammenhang. Dr. Steger ist ein oft kritischer, aber wirklich konstruktiver und natürlich auch erfahrener Stiftungsrat. Und die politische Meinung meines Vaters hat mit meiner Position überhaupt nichts zu tun.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Sebastian Kurz?
Wir kennen einander auch schon einige Jahre, haben Projekte miteinander gemacht, als er noch Integrationsstaatssekretär war, also daher ist es ein gutes, professionelles Verhältnis - wie auch zu den anderen Parteichefs.

Sind Sie sehr froh, wenn am 15. Oktober alles vorbei ist?
Es ist ja dann nicht vorbei. Nach den Wahlen kommt die Regierungsbildung, der ORF berichtet 365 Tage, 24 Stunden. - Wrabetz wirft einen Blick auf die Weltkarte über seinem Schreibtisch. - Natürlich sind Wahlzeiten immer eine besondere Herausforderung, aber die Welt dreht sich weiter.

Sie nehmen am Sonntag beim Jubiläum von Ö1 am großen Quiz teil. Schon aufgeregt?
Ich glaube, dass ich ein mittelgutes Ergebnis schaffen könnte. Aber natürlich hoffe ich, dass ich mich nicht blamiere.

Interview: Conny Bischofberger

Zur Person
Geboren am 21. März 1960 in Wien. Als Kind wollte er Operndirektor werden. Wrabetz studiert Jus und ist politisch für den roten Studentenverband VSStÖ aktiv. Diverse Jobs in der Privatwirtschaft, zuletzt Geschäftsführer von Vamed. Seit 1998 als kaufmännischer Direktor beim ORF. 2006, 2011 und 2016 wird er zum ORF-Generaldirektor gewählt und ist somit längstdienender ORF-Chef. Wrabetz ist Vater von zwei Söhnen und einer Tochter. Von deren Mutter, der Ärztin Petra Wrabetz, ist er seit 2015 geschieden.

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