Viele Fragen ignoriert

Zuckerbergs Anhörungs-Farce im EU-Parlament

Digital
22.05.2018 19:58

Das haben sich die EU-Parlamentarier wohl ein bisschen anders vorgestellt. Zwar hatte sich Facebook-Chef Mark Zuckerberg nach langem Hin und Her bereit erklärt, sich einer am Dienstagabend live im Internet übertragenen Anhörung im EU-Parlament zu stellen. Doch letztlich bestimmte Zuckerberg die Regeln der Fragestunde in der Affäre um mutmaßlichen millionenfachen Datenmissbrauch. Die Art und Weise, wie der Facebook-Gründer mit den gesammelten Fragen der EU-Politiker umging, ließ die Wogen hochgehen. In seinem Referat ignorierte Zuckerberg mehrere - wohl unangenehme - Detailfragen.

Die erstmals live übertragene außerordentliche Sitzung des Ausschusses der Fraktionsvorsitzenden nutzte Zuckerberg zu Beginn, um die Europäer um Entschuldigung zu bitten und eine Verbesserung des Schutzes der Nutzerdaten zu versprechen. „Wir haben unsere Verantwortung nicht umfassend genug gesehen, der Fehler tut mir leid“, erklärte Zuckerberg vor den Fraktionsvorsitzenden und Parlamentspräsident Antonio Tajani.

„Die Werte der Menschenrechte liegen uns am Herzen“
„Die Werte der Menschenrechte liegen uns am Herzen. Wir konzentrieren uns auf das Positive, das die Technologie bringen kann“, meinte Zuckerberg und unterstrich diese Aussage damit, dass zum Beispiel nach den Terroranschlägen in Brüssel und anderen europäischen Städten Zehntausende den Sicherheitscheck von Facebook verwendet hätten, um zu sagen, dass es ihnen gut gehe.

Es gebe in Europa 18 Millionen kleine Unternehmen, die Facebook nutzen, „überwiegend kostenfrei“, so Zuckerberg. Fast die Hälfte dieser Firmen habe mehr Menschen einstellen können, weil sie Facebook-Angebote nutzten. Aber „es ist klar, dass wir nicht verhindern können, wenn Instrumente schädlich eingesetzt werden können, wenn es erfundene Nachrichten gibt, Einmischung in Wahlen und Datenmissbrauch“, meinte der Facebook-Gründer.

„Sicherheit für Menschen ist wichtiger als Gewinnmaximierung“
Zuckerberg verpflichtete sich, die Fehler aufzuarbeiten. „Die Sicherheit für die Menschen wird uns immer wichtiger sein als unsere Gewinne zu maximieren“, sagte er. Eine der Maßnahmen von Facebook sei, dass Informationen, die per App auf mobile Plattformen kommen, viel begrenzter sein werden. „Bei dreimonatiger Nichtverwendung muss man die Einwilligung neu erteilen. Wir prüfen jede einzelne App, die Zugang zu großen Mengen personenbezogener Daten hat.“ Bisher seien Tausende Apps geprüft und mehr als 200 bereits vorübergehend ausgesetzt worden.

Wesentlich sei auch, wichtige Kontrollen für den Nutzer möglich zu machen, Cookies und den Browserverlauf zu löschen. Allerdings könne das Löschen von Cookies die Nutzung des Internets in Mitleidenschaft ziehen, sagte der Facebook-Chef. Zur Wahlmanipulation gestand Zuckerberg zu, „dass wir 2016 zu langsam agiert haben, als es darum ging, russische Einmischung auf die US-Wahlen zu identifizieren. Wir haben uns auf traditionelle Cyberangriffe konzentriert und waren nicht genug vorbereitet, dass es koordinierte Desinformationskampagnen geben würde.“ Allerdings habe es seitdem „ganz beträchtliche“ Investitionen gegeben, um die „Integrität“ von Wahlen künftig zu schützen.

„Wir haben stets unsere Steuern gezahlt“
„Wir haben stets unsere Steuern gezahlt. Die verwendeten Steuerkonstruktionen waren auch legal“, betonte der IT-Milliardär und widersprach auch der Darstellung einiger Abgeordneter, wonach Facebook eine Monopolstellung mit „viel Macht in den Händen“ habe. „Wir agieren in einem höchst kompetitiven Umfeld. Jeden Tag werden neue Kommunikationsplattformen entwickelt“, so Zuckerberg.

Die Fragen der Abgeordneten, die sich sichtlich besser vorbereitet hatten als ihre US-Kollegen im April, drehten sich um Datenschutz, Entschädigungszahlungen für vom Skandal betroffene User, Fake News, Schattenprofile, politische Einflussnahmen und Facebooks Monopolstellung. Zu jeder Frage machte sich der US-Milliardär zwar fleißig Notizen - Zuckerberg hielt anschließend ein Referat, in dem er sich zur EU-Datenschutzgrundverordnung bekannte und versprach, gegen gefälschte Konten und Fake News zu kämpfen -, doch unangenehme Detailfragen blieben unkommentiert.

Parlamentschef verteidigt Anhörungsformat
Als Zuckerberg dann die bereits überschrittene Zeit ansprach und seine Unterlagen verstauen wollte, regte sich Unmut unter den Abgeordneten, die ihre Fragen noch einmal stellten. Nach einigem Hin und Her einigte sich der Facebook-Chef mit Tajani darauf, die Fragen „in den kommenden Tagen“ in schriftlicher Form zu beantworten. Der EU-Parlamentschef wertete die Anhörung als „Erfolg“ für seine Institution. „Wir sind im Mittelpunkt der politischen Debatte. Wir haben gezeigt, dass wir für die Interessen der Bürger eintreten. Wir haben eine Entschuldigung bekommen“, sagte er. Dabei verteidigte Tajani das eingeschränkte Format der Anhörung im Rahmen der Fraktionschefs. Zuckerberg sei nicht EU-Bürger und nicht verpflichtet gewesen, der Einladung Folge zu leisten, sagte er. Außerdem werde noch ein Vertreter Facebooks an einer weiteren Anhörung im EU-Innenausschuss teilnehmen, dabei gehe es um technische Fragen.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Skandal rund um die britische Firma Cambridge Analytica im Überblick:

Worum geht es in der Affäre?
Im März enthüllte der ehemalige Cambridge-Analytica-Mitarbeiter Christopher Wylie, dass sich die Beraterfirma Zugang zu den Daten von 87 Millionen Facebook-Nutzern verschafft hatte. Sie stammten demnach aus einer App, mit der über psychologische Tests Persönlichkeitsprofile erstellt werden konnten. Cambridge Analytica wird vorgeworfen, die Daten für den Wahlkampf des heutigen US-Präsidenten Donald Trump ausgeschlachtet zu haben.

Ist auch Europa betroffen?
Facebook zufolge landeten auch 2,7 Millionen Datensätze von europäischen Nutzern bei Cambridge Analytica. Der Firma wird auch vorgeworfen, die Daten britischer Bürger für eine Pro-Brexit-Kampagne missbraucht zu haben. Die britische Firma hat in allen Fällen die Datenmissbrauchsvorwürfe zurückgewiesen.

Sind auch Nutzer in Österreich betroffen?
In Österreich haben 13 Personen die betroffene Umfrage-App installiert, hieß es Anfang April. Die Zahl der potenziell weiteren Betroffenen - „also Personen, deren Daten möglicherweise mit der App geteilt wurden, weil Freunde sie installiert hatten“ - liegt demnach bei bis zu 33.555. Ausgangspunkte sind dabei aber nicht nur die wenigen österreichischen Teilnehmer der Umfrage, sondern auch Facebook-Freunde in den USA und anderen Ländern, die wiederum bei der Umfrage mitgemacht hatten.

Was hat Facebook bisher getan?
Facebook überprüfte in der Folge des Skandals Apps auf seiner Plattform, um ähnliche Fälle der unzulässigen Weitergabe von Daten zu verhindern. Mitte Mai wurden 200 Apps vorläufig gesperrt. Das Unternehmen kündigte zudem an, weltweit seine Datenschutzbedingungen in Anlehnung an die am 25. Mai in Kraft tretenden neuen EU-Regeln zu überarbeiten. „Alle, egal wo sie leben“, würden gebeten, „Entscheidungen zu ihrer Privatsphäre auf Facebook“ zu treffen, erklärte das Unternehmen Mitte April.

Sieht sich Zuckerberg persönlich in der Verantwortung?
Ja. „Ich habe Facebook gestartet, ich leite es, und ich bin verantwortlich für das, was hier passiert“, sagte er bei einer Anhörung im US-Kongress im April. „Es war mein Fehler und es tut mir leid.“

Warum ist der europäische Markt für Facebook wichtig?
Facebook hat weltweit 2,2 Milliarden Nutzer. Für das Unternehmen ist der europäische Markt dabei größer als der Heimatmarkt in den USA: Dort nutzten auf Basis monatlicher Daten zuletzt rund 241 Millionen Menschen Facebook, in Europa waren es 377 Millionen.

Warum macht die EU so viel Druck?
Die EU sieht generell die Gefahr, dass Versuche zur Wahlbeeinflussung über soziale Netzwerke zunehmen könnten. „Wir wollen, dass Wahlen zu Ergebnissen kommen, die die echten politischen Präferenzen freier Menschen zeigen - und nicht von Menschen, die einer Gehirnwäsche unterzogen wurden“, sagte EU-Justizkommissarin Vera Jourova. „Wenn man sich vorstellt, dass solche Methoden in zwei oder drei Mitgliedsstaaten genutzt würden, hätte ganz Europa ein Problem.“

Warum drohen Facebook und Co. künftig hohe Strafen bei Datenmissbrauch?
Die am 25. Mai in Kraft tretende EU-Datenschutz-Grundverordnung macht Unternehmen schärfere Vorgaben für Speicherung und Schutz von Daten und gibt Nutzern mehr Möglichkeiten, gegen Missbrauch vorzugehen. Bei Verstößen drohen hohe Strafen von bis zu vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Bei Facebook wären das rechnerisch derzeit bis zu 1,6 Milliarden Euro. Wegen der Affäre um Cambridge Analytica kann der Konzern hier aber nicht nachträglich belangt werden.

Was passierte mit Cambridge Analytica?
Die Datenanalysefirma hat Anfang Mai ihre Dienste eingestellt. Zusammen mit dem Mutterhaus Strategic Communication Laboratories (SCL) beantragte Cambridge Analytica in Großbritannien Insolvenz. Es habe sich gezeigt, dass das Geschäftsmodell nicht länger „rentabel“ sei, erklärte die Firma. „Nahezu alle Kunden“ seien durch die „unbegründeten Anschuldigungen“ vertrieben worden. Das Management ist bei einer Neugründung untergekommen: Emerdata.

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