Die Grenzen hin zur Sucht können bei manchen verschwimmen, auch wenn die meisten Österreicher nur wenig oder gar keine hochprozentigen Getränke zu sich nehmen. Trotzdem ist diese Abhängigkeit die häufigste Suchterkrankung hierzulande.
Eines vorweg: Obwohl wir im europäischen Vergleich relativ weit vorne liegen, was den Gesamtkonsum pro Kopf angeht, kann man Österreich keineswegs als „Land der Säufer“ bezeichnen. Wie in allen Bereichen des Lebens kommt es auch hier auf die Dosis an. Die Menge und die Rahmenbedingungen entscheiden, ob Alkohol als Genussmittel oder Gefahrenquelle zu sehen ist. „Die Mehrheit der Österreicher hat keine Probleme mit dem Alkohol. 72 Prozent konsumieren ihn in einem unbedenklichen Ausmaß oder gar nicht“, erläutert Dr. Sergei Mechtcheriakov vom Department Psychiatrie und Psychotherapie an der MedUni Innsbruck bei der Präsentation des Ratgebers „Alkohol. Zwischen Genuss und Gefahr“. „Doch ungefähr jeder fünfte befindet sich in der Gefahrenzone des schädlichen Gebrauchs, jeder 20. ist sogar alkoholkrank. Und fast jeder ist indirekt durch Alkoholprobleme bei Menschen in seinem Umkreis davon betroffen.“
Die Folgen können fatal sein: Durchschnittlich 17 (Männer) bis 20 Lebensjahre (Frauen) verlieren Betroffene an die „Alltagsdroge“. Abgesehen davon, dass etwa 100 Menschen jährlich an Alkoholvergiftung sterben, gibt es eine Menge mitunter tödlicher Krankheiten, die durch Alkohol mitverursacht werden, z. B. Bluthochdruck, Schlaganfall, Herzinfarkt oder Tumoren. „Es geht nicht darum, den Konsum zu verdammen oder zu verhindern, sondern Menschen in allen Lebensphasen für einen verantwortungsvollen und risikoarmen Umgang zu sensibilisieren“, stellt Mag. Lisa Brunner, Leiterin des Instituts für Suchtprävention Wien klar. „Trotzdem muss man festhalten: Alkohol ist ein Zellgift. Es gibt keine Menge, welche die Gesundheit fördert.“ Auch kleine „Schlucke“ verursachen Veränderungen im Botenstoffsystem des Gehirns. Eine Folge der „hochgeistigen Substanzen“ auf das Zentralnervensystem stellt etwa der Gewöhnungseffekt dar. Für dieselbe Wirkung benötigt man auf Dauer immer mehr. „Es gibt keinen rationalen Grund, mehr als zwei Krügerl Bier oder Gläser Wein pro Abend zu trinken“, so Dr. Mechtcheriakov. „Wer ein paar weitere braucht, sollte darüber nachdenken. Ich rate außerdem dazu, nie hinter einem Rausch her zu jagen. Trinken, um sich zu beschwipsen, ist keine gute Ausgangsbasis.“
Laut Experten, wagt man am besten regelmäßig den Selbstversuch: Wer ein Problem damit hat, eine Woche lang keinen Tropfen anzurühren, muss sein Trinkverhalten auf jeden Fall hinterfragen. Übrigens: Auch, wenn die Leberwerte noch im Normalbereich liegen, können bereits Abhängigkeitsentwicklungen im Gange sein. „Es ist nie zu früh oder zu spät, Beratung und Hilfe zu suchen“, macht Mag. Brunner Mut. Und Dr. Mechtcheriakov bestätigt: „Es gibt Therapien mit wirksamen Medikamenten. Selbst wenn der erste Abstinenzversuch scheitert, darf man nicht aufgeben. Es braucht oft einige Anläufe.“
Konsum mit Vernunft
Eva Greil-Schähs, Kronen Zeitung
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