„Krone“-Interview

Warum nicht Schwarz-Blau, Herr Haslauer?

Österreich
06.05.2018 06:01

Salzburgs ÖVP-Landeshauptmann Wilfried Haslauer (62) spricht mit Conny Bischofberger über seine „Dirndl-Koalition“, die Rede von Michael Köhlmeier, das Verhältnis zu Sebastian Kurz und seinen legendären Vater, Wilfried Haslauer senior.

Der Chiemseehof, Sitz der Salzburger Landesregierung, am Samstagmorgen: Das Fenster seines Büros ist weit offen, Haslauer lehnt auf dem Fensterbrett und atmet die frische Luft ein. „Da hinten, neben der Festung, liegt das älteste Frauenkloster Europas.“ Dann nimmt er im weißen Ledersofa neben dem historischen Ofen, unter einem modernen Gemälde in Herbstfarben, Platz. „Barock-Allergie darfst hier keine haben“, lacht er. Zum barocken Ambiente zählt auch ein Kruzifix, und im Zimmer nebenan steht noch der Schreibtisch seines Vaters, Haslauer senior.

Als Affront gegen die Bundesregierung sehen viele seine Koalitionsverhandlungen mit den Grünen (minus zehn Prozentpunkte) und den NEOS (plus 7,3 Prozentpunkte), die erstmals in eine Landesregierung einziehen dürften. Warum er nicht Schwarz-Blau oder Schwarz-Rot, sondern Bunt anstrebt, erklärt der Salzburger Landeschef in einem launigen „Krone“-Interview.

„Krone“: Herr Landeshauptmann, vor einer Woche haben Sie noch mit Sebastian Kurz über den Wahlsieg der ÖVP gejubelt, mittlerweile haben Sie klargemacht, dass Sie mit der FPÖ in Salzburg nicht regieren wollen. Kann man dem Parteichef so einfach einen Wunsch abschlagen?
Wilfried Haslauer: Es war nicht sein ausdrücklicher Wunsch, und er hat auch keinerlei Druck ausgeübt. Ich habe ihn lediglich so interpretiert, dass es ihm, verständlicherweise, lieber gewesen wäre, wenn es Schwarz-Blau gegeben hätte. Die Regierung wird aber in Salzburg gebildet, nicht in Wien.

Aber nach welchen Kriterien? Die FPÖ hat zugelegt, während die Grünen praktisch abgewählt wurden. Missachten Sie da nicht den Wählerwillen?
Das sehe ich nicht so. Die Wahlsieger heißen ÖVP und NEOS. Und dazu gibt es einen dritten Partner, die Grünen. Sie haben die Leihstimmen verloren, die sie 2013 im Folge des Finanzskandals bekommen haben, liegen aber mit neun Prozent im österreichweiten Durchschnitt. Die FPÖ hat im Grunde ihr Wahlziel nicht erreicht: Unter 20 Prozent, Platz 3!

Auf der Facebook-Seite von Heinz-Christian Strache steht zum Beispiel: „Jetzt haben die in Salzburg das grüne Unkraut und den Napoleon von der Flamingo-Partei. Es lebe der Sadismus!“ Oder: „Jetzt muss man diese schwarz-linke Koalition vor sich hertreiben wie ein verlaufenes Rindvieh auf der Wiese.“ Verstehen Sie den Zorn der FPÖ-Wähler?
Das ist noch relativ harmlos im Gegensatz zu anderen Postings und Leserbriefen. Im Grunde genommen bestätigt das meine Entscheidung, dass es richtig war, in die Dreierkoaliton zu gehen und in keine andere.

Warum nicht Schwarz-Blau?
Natürlich hätte auch eine ÖVP-FPÖ- oder eine ÖVP-SPÖ-Regierung funktionieren können. Aber mir ging es darum, nicht Mitte-Rechts oder Mitte-Links zu bekommen, sondern eine breite Allianz der Mitte zu bilden. Wir haben viel liberales Gedankengut, auch viel grünes Gedankengut, deshalb war das naheliegend. Ob es auch gelingen wird, daraus eine handlungsfähige Regierung mit einem vernünftigen Programm zu schmieden, das werden wir sehen. Ich bin aber sehr zuversichtlich. Das ist aber überhaupt mein Wesensmerkmal, ich bin immer zuversichtlich.

Stimmt es, dass zwei Frauen Sie vor der FPÖ gewarnt haben? Ihre Ehefrau und Helga Rabl-Stadler, die Präsidentin der Salzburger Festpiele.
Haslauer lacht.
- Das hat mich sehr amüsiert, aber das stimmt nicht. Natürlich ist es immer gut, auf kluge Frauen zu hören, aber zu Hause sprechen wir kaum über Politik, und auch Helga Rabl-Stadler trennt sehr bewusst Festspiele und Parteipolitik voneinander, weil alles andere ein fataler Fehler wäre.

FPÖ-Spitzenkandidatin Marlene Svazek warb mit dem Slogan: „Frau mit Power statt Haslauer“. Muss sie jetzt dafür büßen?
Nein, muss sie nicht. Ich habe keine schlechte Meinung von Frau Svazek, eigentlich kenne ich sie kaum, weil sie relativ wenig in Salzburg war. Das Gesprächsklima war immer angenehm, aber sie bedient sich halt auch der Kampfrhetorik des Wiener Parteisekretariats, und da bin ich ein bisschen sensibel. Das passt nicht zum Salzburger Stil.

Was ist der Salzburger Stil?
Wir haben ein anderes politisches Klima, ein Klima der Zusammenarbeit, der gegenseitigen Wertschätzung, der Toleranz. Wenn diese Qualität infrage gestellt wird, dann kann sich Salzburg nicht nach vorne entwickeln.

Wollten Sie sich vielleicht einfach zwei schwächere Partner in die Regierung holen?
Ich halte das für eine Fehlinterpretation. Denn der Weg, den wir jetzt gehen, ist sicher nicht der leichtere. Es ist immer einfacher, mit nur einem Partner in der Regierung zu sein. Aber mir geht es nicht um den leichten, sondern um den richtigen Weg.

Sie haben bestimmt die Festrede von Michael Köhlmeier gehört …
Nein, da haben wir verhandelt. Aber ich werde sie nachhören.

Er wirft der FPÖ Antisemitismus vor und warnt, Anzeichen für Ausgrenzung und Rassismus zu übersehen. Was denken Sie sich, wenn Sie das hören?
Ich finde es großartig, dass Herr Köhlmeier über Einladung gerade dieser Regierung die Bühne für seine kritischen Gedanken bekommt. Das ist Freiheit, das ist Demokratie. Toleranz und Respekt vor anderen Meinungen, auch wenn man sie nicht teilt, sind so wichtig.

Heißt das, dass Köhlmeier nicht recht hat?
Ich denke, man kann das in der Pauschalität nicht so sagen. Hier werden oft Klischees bedient, die aber, das sage ich auch ganz offen, immer wieder durch einzelne Aussagen Nahrung finden, und das macht es so schwierig.

Das Mauthausen-Komitee hat sehr viele solche „Einzelfälle“ dokumentiert.
Die ganzen Burschenschaftslieder, die wiederholten Äußerungen einzelner FPÖ-Funktionäre, sind problematisch und machen Sebastian Kurz das Leben auch nicht gerade leicht.

Tut er genug, um sich abzugrenzen?
Ich sehe hier eindeutige Bemühungen, auch von der FPÖ. Man darf die Partei nicht in ein nationalsozialistisches oder antisemitisches Eck stellen. Wäre die FPÖ dort, dann müsste man sie verbieten. Und immerhin haben viele Menschen diese Partei gewählt, und somit rückt man auch die Wählerinnen und Wähler in dieses Eck.

Halten Sie die Angriffe von Rechtspopulisten in Österreich und Ungarn auf den Investor George Soros auch für problematisch?
Ja, das tue ich.

Wird Ihre Haltung das Verhältnis zu Sebastian Kurz trüben?
Unser Verhältnis ist ausgezeichnet, wir kommunizieren sehr unkompliziert, wir mögen einander. Was ich in Salzburg mache, ist kein Affront, und Kurz ist auch nicht beleidigt. Das ist einfach unsere Entscheidung, wir haben uns das schon sehr gut überlegt.

Aber helfen wird es Kurz nicht gerade.
Ich würde das nicht überbewerten. Sebastian Kurz hilft, wenn er gute Arbeit in der Bundesregierung macht, und das tut er. Ich habe unglaublichen Respekt, wie dieser junge Mann sich in kürzester Zeit emporgearbeitet, Wahlen gewonnen und die ÖVP auf Bundesebene neu positioniert hat. Das war ein wahres Meisterstück.

Tragen Sie seine Reformen nach wie vor mit?
Natürlich. Wir achten aber immer auf die Interessen unseres Landes und bringen uns als konstruktive Gesprächspartner ein. Gerade die Sozialversicherungsreform wird sicher kein Spaziergang, aber auch ich sehe die Notwendigkeit zu Änderungen, und da ist die Angst mitunter sehr groß. Meine Lebenserfahrung ist, dass die Weltuntergangspropheten noch immer enttäuscht wurden.

Stehen Sie auch zur Nichtaufhebung des Rauchverbots?
Das sehe ich entspannt, weil es kommt sowieso in einigen Jahren. Wir haben deshalb die Initiative „Salzburg freiwillig rauchfrei“ ins Leben gerufen.

Mindestsicherung?
Es ist gut, wenn es eine bundeseinheitliche Lösung gibt. Bei dem Thema bin ich aber sensibel, weil ich nicht will, dass so etwas auf dem Rücken derjenigen ausgetragen wird, die sich sowieso schon schwer tun - übrigens zum Großteil österreichische Staatsbürger.

Mein Kollege Claus Pandi hat geschrieben: Die ÖVP wird im Kern immer tiefschwarz bleiben. Gibt es für Sie einen Unterschied zwischen Schwarz und Türkis?
Diese Farbenspiele spielen bei uns keine Rolle. Für mich stellt sich nicht die Frage „Schwarz oder Türkis?“, sondern die Frage: "Wo geht die Reise hin? Wie können wir es in Salzburg schaffen, überall vorne zu sein, in der Lebensqualität, im Wirtschaftswachstum, bei der Beschäftigung? Und wie können wir unsere Gesellschaft zusammenhalten und nicht auseinanderdividieren?“ Dafür stehe ich. Für Zusammenarbeit, nicht für Ausgrenzung.

Sie haben 2004 im „Krone“-Interview gesagt: Eigentlich wollte ich nie Politiker werden. Erstaunt Sie Ihr Lebensweg manchmal selber?
Ich habe bei meinem Vater, der ja schon Landeshauptmann war, gesehen, dass Politik immer auch eine Eingrenzung der Privatsphäre bedeutet, dass man in diesem Beruf wenig Zeit für die Familie hat. Das war nicht etwas, was ich angestrebt habe. Aber es hat sich anders ergeben und mir macht diese Tätigkeit große Freude. Sie ist fordernd, sie ist schwierig, sie ist aber auch sehr schön.

Was würde Ihr Vater jetzt sagen?
Er hätte sich mit mir gefreut, aber auch zu Besonnenheit geraten. Er war sehr mutig, ein brillanter Redner mit einer sehr explosiven Stimme. Ich würde ihn jetzt gerne fragen, was er an meiner Stelle machen würde.

Am Donnerstag haben Sie Ihren 62. Geburtstag gefeiert. Werden Sie so wie Erwin Pröll noch zehn Jahre anhängen?
Keine Ahnung. Man darf einfach den Zeitpunkt nicht übersehen, wo man nur noch Althergebrachtes produziert. Und man muss auf seine Nachfolge achten. Ich hoffe, dass meine Freunde und meine Familie so ehrlich sind, mir zu sagen: Jetzt wäre es an der Zeit aufzuhören! Falls ich es nicht selber spüre.

Sie haben vier Kinder, darunter einen Wilfried. Droht ihm irgendwann die Thronfolge?
Haben Sie jetzt „droht“ gesagt? - Lacht. - Nein, ganz sicher nicht. Seine Lebensplanung auf Politik auszurichten ist eine sehr riskante Geschichte. Das würde ich meinem Sohn niemals raten.

An der Wand hinter Ihnen hängt ein Kreuz. Finden Sie die Aktion des bayrischen Ministerpräsidenten, Kreuze in Amtsstuben aufzuhängen, richtig?
Das Kreuz hat in Salzburg auch im öffentlichen Raum seinen Platz - und das ist gut so. Es sollte aber nicht ein Mittel der Politik und der Agitation sein. Für mich ist das Kreuz ein Zeichen der Hoffnung. Ein Zeichen, dass es aus jeder schwierigen Situation, und sei sie noch so elendig, immer wieder Erlösung gibt.

Zur Person
Geboren am 3. Mai 1956 in Salzburg, sein Vater Wilfried Haslauer senior war von 1977 bis 1989 Landeshauptmann. Nach dem Jus-Studium wird er Rechtsanwalt, 2004 Chef der Salzburger Volkspartei und Stellvertreter von Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ). 2013 wird er Landeshauptmann. Bei der Landtagswahl am vorletzten Sonntag erreicht die ÖVP unter seiner Führung 37,8 Prozent der Stimmen (ein Plus von 8,79 Prozentpunkten). Haslauer ist verheiratet mit der Anwältin Dr. Christina Rösslhuber und Vater von vier Kindern.

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