Fund in der Wüste

Forscher lösen Alien-Rätsel um bizarre Mini-Mumie

Wissenschaft
22.03.2018 18:00

Der Fund hat 2003 für Aufsehen gesorgt, jetzt ist die Herkunft der geheimnisvollen Mini-Mumie aus Chile, die manche als Überreste eines Außerirdischen ansahen, enträtselt. Die Ergebnisse dürften Alien-Gläubige und Ufologen enttäuschen, was das Schicksal von Ata, wie die Mumie benannt wurde, allerdings nicht minder faszinierend macht. Denn fünf Jahre intensiver DNA-Forschung zeigen: Das winzige, nur 15 Zentimeter lange mumifizierte Skelett mit dem bizarr langgezogenen Schädel und den übergroßen Augenhöhlen ist eindeutig das eines weiblichen Menschen.

Es wirkt, als sei es einem Science-Fiction-Film entsprungen: Übergroßer und extrem in die Länge gezogener Schädel, riesige, schräg nach oben zeigende Augenhöhlen - so wie sich viele Menschen halt einen Alien vorstellt. Der Fund in einem verlassenen Örtchen in der chilenischen Atacama-Wüste hatte 2003 für einiges Aufsehen gesorgt. Sogar ein Dokumentarfilm (siehe Video oben) über die angeblich außerirdische Herkunft des Mini-Wesens, nach seinem Fundort Ata genannt, wurde gedreht.

Nur 15 Zentimeter misst die Mini-Mumie in der Länge. Zum Vergleich: Der kleinste Mensch der Welt, Chandra Bahadur Dangi, kommt auf 57 Zentimeter. Neugeborene messen üblicherweise 50, die kleinsten lebensfähigen Frühchen etwas mehr als 20 Zentimeter. Was also war Ata? Ein Außerirdischer oder doch ein bizarr missgebildeter menschlicher Fötus? Die Mini-Mumie lieferte jedenfalls jede Menge Nahrung für Ufo-Gläubige rund um den Globus.

Mumie landete über Umwege bei Ufologen in Barcelona
Die Leiche verschwand nach dem Fund im Jahr 2003, wechselte mehrmals den Besitzer und landete schließlich in Barcelona, wo sie bei einem Ufologen-Kongress Steven Greer in die Hände fiel. Der ehemalige Notarzt suchte nach einem Beweis dafür, dass Außerirdische auf der Erde gelandet sind. In Ata glaubte er ihn gefunden zu haben. Greer sammelte Spenden, um die Mini-Mumie erforschen zu lassen und einen Dokumentarfilm zu finanzieren.

Greer selbst war von Anfang an überzeugt: Röntgenbilder und Computertomografie-Aufnahmen würden zeigen, dass Ata keine Fälschung sei, sondern ein humanoides Lebewesen mit allen relevanten Organen, womöglich ein Alien. Die mit der Untersuchung beauftragten Forscher waren indessen keine Ufo-Anhänger, sondern Wissenschaftler von Weltrang: Gerry Nolan, Professor an der kalifornischen Elite-Universität Stanford, gilt als einer der renommiertesten Genforscher der Welt, seine Aufsätze gehören zu den meistzitierten seiner Disziplin. Der ebenfalls an der Untersuchung Atas beteiligte Ralph Lachman ist einer der führenden Experten für Skelettfehlbildungen.

Die nun erstmals in einer Fachzeitschrift publizierten Ergebnisse der Forscher sind zwar eine Enttäuschung für Alien-Gläubige, aber ein wahrlich faszienerender Fall für die Wissenschaft. Tatsächlich litt der kleine, wohl durch eine Frühgeburt zur Welt gekommene Mensch an einer Vielzahl genetischer Mutationen, die die diversen Knochen- und Schädel-Fehlbildungen hervorbrachten, berichten Forscher der University of California in San Francisco und der Stanford University nun in einem abschließenden Artikel im Fachjournal „Genome Research“.

Forscher: „Es ist ziemlich beeindruckend“
Von vielen dieser Genveränderungen wüsste man bereits, dass sie eine Rolle bei Kleinwuchs, Skoliose und Fehlbildungen an Muskeln und Knochen spielten. Andere Mutationen hingegen seien zwar als mögliche Auslöser von Erkrankungen bekannt, aber bisher noch nie mit solchen Entwicklungsstörungen in Verbindung gebracht worden. „Ich hatte über einen Freund von dem Körper gehört und mir ein Foto besorgt. Man kann sich das nicht anschauen und denken ‘Das ist uninteressant‘. Es ist ziemlich beeindruckend“, erinnert sich Mikrobiologe Garry Nolan an den Start der DNA-Sequenzierung vor fünf Jahren.

Heute steht nach einem Abgleich mit Referenzgenomen von Schimpanse und Rhesusaffe fest: Ata war definitiv ein Mensch. Ein geografischer Populationsabgleich lässt zudem auf chilenische Herkunft schließen und das Verhältnis abgelesener X- und Y-Chromosomen auf weibliches Geschlecht.

Seltene Erkrankung ließen Knochen vorzeitig altern
Schon bei der ersten Untersuchung waren weitere Ungewöhnlichkeiten aufgefallen: Das kleine Skelett weist nur zehn statt der üblichen zwölf Rippenpaare auf. Außerdem fand Knochenexperte Ralph Lachman beim Röntgen heraus, dass bestimmte Knochenteile Atas überraschenderweise aussahen wie die eines sechs-oder siebenjährigen Kindes. Sollte die winzige Ata mit den ungewöhnlichen Deformationen tatsächlich so lange gelebt haben? Nein, folgern die Forscher heute: Ata sei ein Fötus gewesen, habe aber an einer seltenen Erkrankung gelitten, die die Knochen vorzeitig altern lasse.

Dies alles festzustellen, war nur möglich, weil die Wissenschaftler aus Atas Rippen intaktes Erbgut extrahieren und sequenzieren konnten. Das gelang, weil das von der Wüstensonne mumifizierte Skelett nur etwa 40 Jahre alt war.

„Das ist ein großartiges Beispiel dafür, wie uns die Sequenzierung alter Funde dabei hilft, auch moderne Proben zu analysieren“, betont Butte. Und es zeige, dass man sich bei Patienten auf der Suche nach Ursachen für bestimmte Erkrankungen, nicht nur auf eine einzelne Mutation fokussieren solle.

Nitratabbau am Fundort könnte DNA-Schädigungen verursacht haben
Auch über die Ursachen von Atas zahlreichen Fehlbildungen machten sich die Forscher Gedanken: „Wir können nur spekulieren, aber der Körper wurde in La Noria gefunden, einer von vielen verlassenen Städten der Atacama Wüste, in denen Nitrat abgebaut wurde.“ Dies habe möglicherweise bei den vorgeburtlichen DNA-Schädigungen eine Rolle gespielt.

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