Live im Wiener WUK

Alice Merton: Eine Jukebox voller Ohrwürmer

Musik
28.02.2018 00:36

Nach einem Auftritt beim Wiener Life Ball und beim Out Of The Woods Festival in Wiesen war es Dienstagabend an der Zeit für die erste vollständige Österreich-Indoor-Show der Pop/Rock-Durchstarterin Alice Merton. Die Billboard-Chartstürmerin bewies vor rund 500 Fans ihre Hittauglichkeit und gab ein eindrucksvolles Versprechen für die Zukunft ab.

(Bild: kmm)

Selbst für eine weltgewandte Kosmopolitin wie Alice Merton scheint sich langsam aber sicher eine musikalische Heimat herauszubilden. Es ist übrigens nicht ihr Geburtsland Deutschland, sondern vielmehr ihr Sehnsuchtsort USA, wo sie mit ihrer Erfolgssingle „No Roots“ unlängst Platz eins der Alternative-Billboard-Charts eroberte. Als erste Künstlerin seit Elle King mit „Ex’s & Oh’s“ im September 2015 und als erst neunte Künstlerin, seitdem die Charts vor exakt 30 Jahren eröffnet wurden. In ihrer Gesellschaft befinden sich Namen wie Lorde, Tori Amos, Kate Bush oder Alanis Morissette. Mit Letzterer wird ihr oben erwähnter Erfolgshit auch öfters konnotiert, was Tempo, Phrasierung und Vibe angeht. Wenn man noch ihren Auftritt in der prestigeträchtigen Late-Night-Show von Talkmaster Jimmy Fallon und die in Los Angeles absolvierte Studiozeit für ihr noch nicht erschienenes Debütalbum dazurechnet, kann man durchaus von einem „Raketenstart“ sprechen.

Ungewohnte Rolle
Da ist es auch wenig verwunderlich, dass die zierliche 24-Jährige mit dem kraftvollen Stimmvolumen vom derzeitigen Hype etwas erschlagen wirkt und sich erst langsam in den oberen Sphären des Pop-Business zurechtfindet. Von Arroganz oder übertriebener Selbstzufriedenheit ist bei ihrem österreichischen Einzelkonzertdebüt im Wiener WUK überhaupt nichts zu merken, dafür ist Merton zu sehr „Everybody’s Darling“ und Musikliebhaberin denn stringente Karrieristin. So erzählt sie im Song „Learn To Live“ offen, wie sie gegen die ihre diversen Angstzustände ankämpft und sich erst finden muss, in diesem neuen und prunkvollen Lebensabschnitt.

Mertons ansteigender Erfolg ist keinesfalls ein Zufallsprodukt, das merkt man schon an der qualitativ hochwertigen Darbietung ihrer Kompositionen. Die Stimme bricht zu keiner Sekunde, kann gleichermaßen in lichte Höhen wie auch in eine eindringliche Katharsis vordringen. Dass Songs wie „Lie To My Face“, „Jealousy“ oder „Speak Your Mind“ nicht durchgehend mit den Großen des Alternative-Pops konkurrieren können, ist nur ein kleiner Schönheitsfehler in einer ansonsten famosen Vorstellungsrunde.

Stilvermischung
Mertons Vorteil ist in ihrer Vielseitigkeit begründet. Scheinbar mühelos changiert sie zwischen atmosphärischen, vom Piano geleiteten Balladen („Back To Berlin“) über ein leichtfüßig-loungiges Westküstenfeeling („PCH Pacific Coast Highway“) hin zum flotten „I Don’t Hold A Grudge“, das mit eindringlichem Daft-Punk-Beat im besten „Get Lucky“-Stil mit der nötigen Lockerheit in die seltenen, zu schweren Momente bricht. Die Dramaturgie der Set-Zusammenstellung mag noch nicht ausgereift sein, das Zusammenspiel der Sängerin mit ihren drei Mitmusikern an Gitarre, Schlagzeug und Keyboard funktioniert dafür einwandfrei, lässt aber trotzdem noch genug Raum, um künftig für weitere musikalische Überraschungen zu sorgen. R&B und Soul finden sich genauso wie leichte Grunge-Anleihen und partielle Ausritte in den Hard Rock.

Die Frau weiß was sie will und lässt sich nicht dreinreden. Davon zeugen mitunter Songs wie „Hit The Ground Running“ oder „Holes“, die sich primär darum drehen, wie Merton mit Paper Plane Records ihr eigenes Label gegründet hat, um den Krakenarmen der großen Major-Firmen bewusst ausweichen zu können und ihre Unabhängigkeit zu wahren. Sie tut gut daran das fortzuführen, denn es wäre schade, müsste sie künftig ihr sanftes Querulantentum gegen Kompromissbereitschaft tauschen. Das musste offenbar schon ihr amerikanischer Produzent spüren, denn für die Diskussionen zwischen ihm und der Künstlerin hat die 24-Jährige mit „Trouble In Paradise“ einen eigenen Song geschrieben.

Erst der Anfang
Die Ohrwurmdichte ist schon jetzt sehr groß. Nicht nur „No Roots“ (das vom Wiener Publikum überraschend lasch angenommen wird) prägt sich schnell ein, auch das flotte „Make You Mine“ oder die brandneue Zugabe „Why So Serious?“ haben absolutes Hit-Potenzial. Die gemütliche Beschaulichkeit des WUK wird bis zum nächsten Wiedersehen wohl etwas zu klein für Merton sein – sofern sich der US-Erfolg möglichst schnell auf den europäischen Markt umlegen lässt. Die Vorzeichen dafür sind gut, zudem kündigt sie für kommenden Herbst ihr heiß ersehntes Debütalbum an, von dem etwa 500 interessierte Musikliebhaber bereits heute einen exklusiven Einblick bekamen. Diese Erfolgsgeschichte ist gewiss noch nicht auserzählt.

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