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Aston Martin DB11 Volante: Offener PS-Adel

Motor
19.02.2018 10:10

Die Wörterbücher der italienischen, spanischen oder französischen Sprache lassen diverse Übersetzungen für den Begriff „Volante“ zu. Welche zwischen „Lenkrad“ und „Überfallkommando“ am ehesten zur offenen Version des Aston Martin DB11 passt, erfährt man am besten durch eine Probefahrt. Gern auch im Winter, denn als erstes Produkt der Marke hat er eine Lenkradheizung.

(Bild: kmm)

In den Abkömmlingen des britischen PS-Adels schlägt seit geraumer Zeit ein schwäbisches Herz. Auch der Aston Martin DB11 Volante nutzt den Vier-Liter-V8, der beispielsweise den AMG GT antreibt. Satte 510 PS springen dabei heraus, das sind 255 pro Passagier, denn die hinteren Sitzmulden haben eher statistischen denn Nutzwert. Gäbe es einen Preis für die platzsparendste Interpretation des „2+2“-Sitzkonzepts – in diesem Wettbewerb hätte der DB11 Volante gute Siegchancen. Gewonnen hat er jedoch bereits in einem Schönheitswettbewerb und das „Goldene Lenkrad“ dafür eingeheimst.

Viel interessanter noch als die Leistung des Motors ist sein Drehmoment, das an das Niveau großvolumiger Dieselaggregate heranreicht: 675 Newtonmeter, und das zwischen 2000 und 5000 Umdrehungen, also praktisch im kompletten fahrrelevanten Bereich. Der 5,2-Liter-V12 presst nur 25 Newtonmeter mehr an die Kurbelwelle. Da hindern auch knapp 1900 Kilogramm Eigengewicht nicht daran, in knapp mehr als vier Sekunden über die 100 km/h-Marke zu sprinten. Es könnten vielleicht noch ein paar Zehntel mehr sein, doch das bewegliche Dach machte Versteifungen im Unterbau nötig, die sich auf der Waage niederschlagen. So profitiert der Volante nur wenig von dem rund 100 Kilo leichteren Motor.

Fragen nach einen V12-Cabrio wehrt man bei Aston Martin derzeit elegant ab. Dies sei nicht geplant, heißt es. Das hat unter anderem mit dem chinesischen Markt zu tun, wo großvolumige Motoren mit einer Extra-Steuer belegt werden. Große Limousinen fahren dort zum Teil mit Vierzylindern. Kein Dach über dem Kopf zu haben, ist beim DB11 ohnehin schon kostspielig genug. 199.000 Euro ruft der Hersteller für den Volante in Deutschland auf, und wer 200.000 Euro als Prestige-Schwelle ansieht, hat alle Möglichkeiten, den Preis anzuheben. Zum Beispiel, indem er die neuen 20-Zoll-Felgen im Y-Design ordert oder ein Windschott, das leider nicht zum Standard-Lieferumfang gehört. In Österreich hat man dieses preisliche Luxusproblem nicht, da kann man steuer- bzw. abgabenbedingt gleich ein Drittel auf den Basispreis draufschlagen.

Optisch auf dicke Hose zu machen fällt englischen Landadeligen offenkundig schwer. Alles ist irgendwie nötig, sinnvoll und emotionsfrei begründbar, gewollt oder gekünstelt wirkt nichts. Ein Haifischmaul am Kühlergrill braucht es, um den immensen Luftbedarf des Vier-Liter-Motors zufriedenzustellen, die elend lange Haube dafür, den Motor zwecks einer optimierten Gewichtsverteilung hinter der Vorderachse platzieren zu können. Sie überlappt übrigens beiderseits die Vorderräder und öffnet in Fahrtrichtung, was Klassiker-Freunde sogleich an den Jaguar E-Type erinnert. Die tiefe Sitzposition brauchen die Insassen, um vor Zugluft bestmöglich geschützt zu sein. Mehr als zwei Auspuffendrohre braucht niemand, deshalb hat der Volante auch nicht mehr.

Zwischen ihnen und dem Kennzeichenträger an der Front liegen 4,75 Meter automobile Eleganz, die selbst dann, wenn man die achtlagige Stoffhaube binnen 16 Sekunden (bis 50 km/h) zuklappt, nicht leidet. Viel Mühe hat man in Gaydon darauf verwendet, die weiche Linie zu halten und den Verdeckkasten so zu konstruieren, dass die Schlechtwetter-Mütze in sichtbarem wie unsichtbarem Zustand die Ästhetik nicht beeinträchtigt. Die großen, aber extrem leichtgängig gelagerten Türen schwingen wie üblich in einem Winkel von 16 Grad nach oben und die Lederschlaufen an den Schultern der Sitze bewegen die Sessel sanft nach vorne. Wenn schon niemand hinten sitzen möchte, kann man die Mulden ja für leichtes Handgepäck nutzen. Die größeren Stücke verlädt man unter dem Verdeckkasten, wobei der Zugang zum 206 Liter großen Kofferraum 62 Zentimeter über dem Boden liegt, was jedem Kombi Ehre machen würde.

Eine originelle und optisch ansprechende Idee ist es, die Rückseiten der Sitze oben mit dem gleichen Holz zu vertäfeln, das sich auch im Cockpit befindet. Dass die Ablagemulde zwischen den sportlich geschnittenen Lederfauteuils elektrisch aufsurrt, bietet zwar keinen praktischen Mehrwert, passt aber zum Anspruch, den Insassen höchsten Komfort zu bieten. Unmittelbar davor liegt die Taste für die Verdeckfunktion, eher unscheinbar, wenn man bedenkt, dass das Wichtigste an einem Cabrio das bewegliche Dach ist. Nicht ganz so stilsicher wirken die Klima-Ausströmer an den äußeren Enden des Armaturenbretts, deren schräg gestellte Fassungen und Plastikeinsätze nicht so ganz zum Edel-Ambiente passen wollen. Ob die Installierung der Lenkradheizung und das Weglassen eines Handschuhfachs in kausalem Zusammenhang stehen, hat Aston Martin anlässlich der Präsentation nicht mitgeteilt. Rückfahrkamera und 360-Grad-Surroundview sind vorhanden.

Von 3982 Kubikzentimeter Hubraum orchestriert und der Abgasanlage akustisch aufbereitet, gibt sich der Motor zunächst zurückhaltend. Erst der Gashebel weckt, in Abhängigkeit vom gewählten Fahrmodus, seine klangliche Vielfalt. Drei Modi stehen zur Verfügung, die außer auf Gasannahme und Geräuschentwicklung auch auf das Dämpfersystem wirken. Von würdevollem Brabbeln bis zum bedrohlichen Fauchen beherrscht der Volante alle Variationen, wobei in „S+“ auch dem Spieltrieb Genüge getan wird: Jede Pause in der Gaszufuhr wird mit lustvollem Sprötzeln quittiert. Die Carbon-Antriebswelle sitzt in einer Aluhülse und schickt die Antriebskraft zum an der Hinterachse sitzenden Acht-Gang-Getriebe. Die Transaxle-Bauweise ermöglicht die fast ideale Gewichtverteilung von 47:53.

Eine Neigung zum Übersteuern ist bei diesen Bedingungen kaum zu provozieren, willig folgt das Cabrio dem mit der leichtgängigen Lenkung vorgegebenen Kurs. Das ZF-Getriebe gönnt sich im GT-(Normal)-Modus zwar kleine Bedenkzeiten, ist in den anderen beiden Modi aber hellwach und sportlich aufgelegt. Gibt man die Schaltbefehle mit den fest an der Lenksäule montierten Paddeln, bleibt es stoisch im manuellen Modus, bis ein Druck auf die D-Taste an der Mittelkonsole signalisiert, dass man die Gangwechsel nun wieder der Elektronik überlassen möchte. Ungewöhnlich, aber lobenswert ist, dass auf die Start-Stopp-Funktion nicht verzichtet wurde.

Unter idealen Bedingungen soll der 78-Liter-Tank für eine Reichweite von 780 Kilometer gut sein. Realistischer ist jedoch ein Verbrauch von 13 bis 15 Liter, besonders dann, wenn man durch Öffnen des Daches den cw-Wert verschlechtert und der Versuchung nachgibt, das reichlich bemessene Potenzial für Längs- und Querdynamik auszunutzen. Auch in „harter“ Dämpfereinstellung fehlt es nicht an Komfort und dank der tiefen Sitzposition bleiben die Passagiere von störender Zugluft weitgehend unbehelligt. Freiluftvergnügen jenseits der Sommermonate ist also lediglich eine Frage angemessener Kleidung.

(ampnet/Axel F. Busse)

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(Bild: kmm)



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