Nach einem Jahr

„Welt“-Korrespondent Yücel aus Haft freigelassen

Ausland
16.02.2018 13:55

Nach gut einem Jahr in türkischer Untersuchungshaft ist der "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel am Freitag freigelassen worden. Nach Angaben seines Anwalts verfügte ein Gericht in Istanbul am Freitag seine Freilassung für die Dauer des Verfahrens. Eine Ausreisesperre wurde laut "Welt" nicht verhängt. Türkische Medien berichteten, die Staatsanwaltschaft habe 18 Jahre Haft gegen den 44-Jährigen wegen "Terrorpropaganda" gefordert. Das Gericht habe die Anklageschrift angenommen und daraufhin die Freilassung des Journalisten angeordnet.

Yücels Anwalt Veysel Ok veröffentlichte am Nachmittag auf Twitter ein Foto, das den deutsch-türkischen Journalisten in Freiheit zeigt. Die deutsche Regierung bestätigte die Freilassung, die ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Beziehungen sei. Außenminister Sigmar Gabriel erklärte: "Das ist ein guter Tag für uns alle." Er danke der Regierung in Ankara für die Unterstützung bei der Beschleunigung des Verfahrens.

Baldige Rückehr nach Deutschland erwartet
Gabriel erwartet eine baldige Rückkehr Yücels nach Deutschland. Das Gericht in Istanbul habe dem Journalisten keine Einschränkungen auferlegt, sagte der deutsche Außenminister am Freitag vor Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz. "Ich gehe davon aus, dass das dazu führen wird, dass er das Land verlassen wird."

Der deutsch-türkische Autor Dogan Akhanli, der im vergangenen Jahr auf Betreiben der Türkei mehrere Monate in Spanien festgehalten wurde, sieht in der Freilassung von Yücel eine Bestätigung für die Willkür der türkischen Regierung. Er freue sich sehr über die Freilassung des "Welt"-Korrespondenten, sagte Akhanli am Freitag dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Sie sei aber nur "ein Symbol".

Anwalt gab Freilassung auf Twitter bekannt
Der 44-jährige Yücel war am Mittwoch vor einem Jahr festgenommen worden. Ihm wird von der türkischen Justiz Terrorunterstützung vorgeworfen. "Endlich hat das Gericht die Freilassung meines Mandaten beschlossen", twitterte Yücels Anwalt. Der Fall Yücel hat die deutsch-türkischen Beziehungen schwer belastet. Erst am Donnerstag hatte Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel dem türkischen Regierungschef Binali Yildirim bei dessen Besuch in Berlin gesagt, es handle sich um einen Fall besonderer Dringlichkeit.

Yildirim hatte kurz vor seinem Treffen mit Merkel Bewegung signalisiert, jedoch betont, die Entscheidung liege bei der unabhängigen Justiz. "Diese und ähnliche Verfahren sollten unsere Beziehungen nicht beeinflussen", hatte er in einer Pressekonferenz mit Merkel für einen Neuanfang geworben.

Gabriel: "Unabhängigkeit des Gerichts immer zentrales Anliegen"
Gabriel erklärte, er habe in den vergangenen Monaten viele Gespräche mit der Regierung in Ankara geführt, darunter seien zwei Treffen mit Staatschef Recep Tayyip Erdogan gewesen: "Die Unabhängigkeit der Gerichtsentscheidung war immer zentrales Anliegen in allen Gesprächen. Umso mehr freut mich die heutige Entscheidung." Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer sprach von einem ersten wichtigen Schritt, "auf den wir alle lange hingearbeitet haben".

Ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin sagte, der Fall Yücel sei nicht der einzige, bei dem es Dissonanzen zwischen der deutschen und der türkischen Regierung gebe. Für Schlussfolgerungen sei es noch zu früh. Er betonte, von "schmutzigen Deals oder Nebenabsprachen" könne keine Rede sein.

"Welt"-Chefredakteur: "Die beste Nachricht aller Zeiten"
"Welt"-Chefredakteur Ulf Poschardt zeigte sich erleichtert: "Die beste Nachricht aller Zeiten. Wir sind so glücklich! Danke allen Unterstützern!", twitterte er. Auch aus der Politik kamen überschwängliche Kommentare.

Ex-Grünen-Chef Cem Özdemir erinnerte aber zugleich an die zahlreichen Journalisten und Oppositionellen in türkischer Haft: "Einziges Verbrechen: Sie machen ihren Job." Die Journalistin Mesale Tolu war im Dezember freigekommen, ihr Ehemann aber im Jänner erneut festgenommen worden. Derzeit sitzen noch fünf Deutsche in türkischer Haft.

Drei Journalisten zu lebenslanger Haft verurteilt
Nach der Haftverschonung für Yücel sind am Freitag in der Türkei drei prominente Journalisten zu lebenslangen Gefängnisstrafen verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die drei Männer den gescheiterten Putsch im Sommer 2016 unterstützt haben. Das Gericht fällte das Urteil, obwohl einer der Männer nach Anordnung des höchsten türkischen Gerichtes freigelassen werden sollte. Die Brüder Mehmet und Ahmet Altan sollen dem Urteil zufolge geheime Botschaften über eine Talkshow im Fernsehen einen Tag vor dem Putschversuch am 15. Juli 2016 ausgesendet haben. Auch dem ebenfalls verurteilten Journalisten Nazli Ilicak werfen die Richter die Unterstützung des Netzwerks der Putschisten vor.

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