Abrechnung mit Wien

Kalina: „SPÖ hat sich zu sehr von Basis entfernt“

Österreich
30.01.2018 16:13

Die SPÖ kommt nach der Landtagswahl in Niederösterreich und nach der internen Abstimmung zum Wiener Bürgermeister nicht zur Ruhe. Immer mehr Forderungen nach personellen Veränderungen werden laut – auch SPÖ-Chef Christian Kern wurde von Parteikollegen öffentlich infrage gestellt. Im Gespräch mit krone.tv verrät der Insider Josef Kalina, ehemaliger Bundesgeschäftsführer der SPÖ, wie er die jüngsten Entwicklungen in der Sozialdemokratie sieht. Sein hartes Urteil: Das Wiener Establishment habe sich zu sehr von seiner Basis entfernt.

Kann Michael Ludwig als neuer starker Mann die Wiener SPÖ einen, will krone.tv-Moderator Gerhard Koller von Kalina wissen. Davon ist der Befragte überzeugt, denn: "Es war auch Michael Häupl, der gesagt hatte, jetzt geht es wieder darum, an einem Strang zu ziehen." Die Entscheidung sei "vorbildlich" getroffen worden, innerparteiliche Demokratie sei gelebt worden. So habe es keine Schlammschlacht gegeben, "sondern eine sehr zivilisierte Diskussion", freut sich der ehemalige Politiker.

Personelle Veränderungen werde es "selbstverständlich" geben, aber erst, wenn Ludwig das neue Amt übernommen hat. Wenn im Mai der Bürgermeisterwechsel durchgeführt wird, werde sich auch das Team ändern, so Kalina. "Das wäre der Normalfall", sagt der Insider.

Ob der künftige Wiener Bürgermeister vom Establishment vernachlässigt worden ist und ob er als Kandidat der Flächenbezirke auch deren Wünsche durchsetzen wird? "Er muss jetzt eine eigene Handschrift zeigen", ist Kalina überzeugt. Ludwig sei ein Kandidat der Basis gewesen: "Je weiter man in der Parteihierarchie nach unten kam, desto größer war und ist die Zustimmung." Das Volkstümliche wird er wohl weiterleben müssen. "Und natürlich geht es darum, neue Akzente zu setzen", sagt Kalina. Besonderes sollten konkrete Maßnahmen in der Kommunalpolitik gesetzt und "nicht versucht werden, mit Statistiken die Dinge schönzureden". Themen, die Menschen bewegen - wie Bildung, Schulsituation oder auch der Verkehr -, sollen konkret angesprochen und Lösungen gefunden werden. "Das hat die Sozialdemokratie groß gemacht in Wien – dieses Konkrete."

Ob sich das Parteiestablishment, das mehrheitlich den Gegenkandidaten Andreas Schieder forciert hatte, zu sehr von der Basis entfernt habe? "Als Beobachter habe ich in manchen Fragen schon so eine Entwicklung gesehen", räumt der SPÖ-Kenner ein. Wien sei zwar "sehr gut aufgestellt", das Wachstum müsse man allerdings erst verdauen. Als Beispiel nennt er Schulklassen mit einem Ausländeranteil von 50 bis 60 Prozent. "Da erwarten sich die Leute ganz konkrete Lösungen", so Kalina. "Da wurde schon versucht, bestimmte Dinge einfach zu beschönigen", möchte er "ganz offen" ansprechen.

Auf die Tatsache, dass der SPÖ in vielen Bezirken die FPÖ im Nacken sitzt, müsse man reagieren. Das hieße: nicht koalieren mit den Freiheitlichen, sondern jene ansprechen, die drohen, mit ihren Sorgen abzuwandern, "weil sie sich nicht verstanden fühlen". Zu personellen Spekulationen in der SPÖ in Wien will sich der ehemalige Bundesgeschäftsführer nicht hinreißen lassen.

Eigene Dogmen hinterfragen
Beim "Durchputzprozess", den Parteichef Christian Kern angekündigt hatte, sei es notwendig, sich selbst neu zu definieren und auch in der Bundespolitik Dogmen zu hinterfragen, "ob diese Position wirklich noch mehrheitsfähig ist in der Bevölkerung. Das beträfe Bereiche wie Zuwanderung, Familien- oder Bildungspolitik, Gesamtschule."

Feintuning nötig
Kern habe eine gute Reputation in der Wählerschaft, das merke man an den Umfragen, aber eine Neupositionierung hält Kalina für essenziell. Bei der Mangelberufsliste sei dies geschehen, meint krone.tv-Moderator Koller, hier habe man sich restriktiver gezeigt als die türkis-blaue Regierung. Von 150.000 neuen Migranten sei die Rede gewesen – ob das realistisch sei? Bei der Zahl möchte sich Kalina nicht festlegen, allerdings "dass die Maßnahme, die die Freiheitlichen da mittragen, nicht mit dem übereinstimmt, was sie im Wahlkampf angekündigt haben". Die SPÖ müsse sich hier klar ausdrücken, nicht als Signal gegen Ausländer, sondern die Sorge über die Situation am Arbeitsmarkt zum Ausdruck bringen. "Da dieses Feintuning zu finden ist sicher eine Aufgabe der handelnden Personen", so der Experte.

Dass der Widerstand gegen das gekippte Rauchverbot das nötige Profil bringt, daran glaubt Kalina eher weniger. "Relevant ist das nicht", meint er im Gespräch mit krone.tv. Bei diesem Aufregerthema könne zwar jeder mitreden, aber wichtig seien andere Bereiche wie Bildung, Arbeit, soziale Sicherheit und Pensionen. "Letztendlich wird das kein wahlentscheidendes Thema sein", ist Kalina überzeugt.

Die Akzentuierung der Themen Arbeitsmarkt oder Förderungen für Kinder findet Kalina richtig: "Das sind die Kernthemen der Sozialdemokratie." Das sei schon seit Kreisky-Zeiten so: "Jedes Kind kriegt gleich viel Geld." Dass die neue Regierung hier Unterschiede mache, sei ein Thema, "da muss die Sozialdemokratie tatsächlich den Finger drauflegen, weil das ist ihr Kernthema", resümiert Kalina.

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