Kern unter Druck

Nach Ludwig-Sieg: SPÖ steht vor massiver Umwälzung

Österreich
28.01.2018 06:00

Christian Kern machte gute Miene zum verlorenen Spiel. Auch wenn der Ex-Bundeskanzler nie klar darüber Auskunft gab, war es ein offenes Geheimnis, dass er gerne seinen SPÖ-Klubchef Andreas Schieder als Nachfolger des Wiener Parteichefs und Bürgermeisters Michael Häupl gesehen hätte. Das Rennen machte aber bei der Wahl beim Landesparteitag am Samstag der als pragmatisch geltende Rathauspolitiker Michael Ludwig. Mit dieser internen Wahl stehen der SPÖ massive Umwälzungen auf allen Ebenen bevor.

„Du hast es geschafft. Ich wünsche dir Glück und Erfolg.“ Mit dieser dürftigen Formel gratulierte Kern dem neuen Wiener SPÖ-Chef Ludwig. Ludwig hatte sich bei der mit Spannung erwarteten partei-internen Wahl mit einer klaren Mehrheit von 57 Prozent gegen Kerns Vertrauensmann im Parlament, SPÖ-Klubchef Schieder, durchsetzen können. Die Delegierten-Stimmen für Ludwig werden vor allem der Basis aus den sogenannten „Flächenbezirken“ und den Gewerkschaftern zugeordnet.

„Team Haltung“ vor dem Abschied
Schieder verließ sich hingegen vor allem auf die Machtstrukturen hinter dem Wiener Bürgermeister Michael Häupl und dessen engster Vertrauter, Finanzstadträtin Renate Brauner. Diese Gruppe, die sich in der Migrationspolitik als „Team Haltung“ feiern ließ, gilt durch Schieders Niederlage nun als politisch stark geschwächt. Häupl hatte schon vor der Wahl Ludwigs zu seinem Nachfolger angekündigt, dass er sein Amt als Bürgermeister im Mai abgeben werde.

Es wird nun davon ausgegangen, dass auch Häupls politische Weggefährten vor ihrem baldigen Abschied stehen. Schieder wurde durch die Wahlniederlage ebenfalls politisch beschädigt. In Kreisen der SPÖ heißt es, man könnte ihn bei den EU-Wahlen 2019 als Spitzenkandidaten aufstellen und nach Brüssel schicken. 

Wie lange bleibt Ex-Kanzler Kern?
Kern bleibt vorerst Bundesparteichef. Ex-Kanzleramtsminister Thomas Drozda wird für Schieders bisherigen Job des geschäftsführenden Klubobmanns gehandelt. 
Für den Fall, dass Kern das Interesse an der Politik vorzeitig verlieren sollte, könnte im Herbst die 2. Nationalratspräsidentin Doris Bures in die Wahl um Kerns Nachfolge gehen.

Kommentar von Claus Pándi: Sieg der Basis
Der neue starke Mann der Genossen heißt Michael Ludwig. Mit seiner Wahl sollte der zwei Jahre dauernde Erbfolgekampf in der Wiener SPÖ ein Ende gefunden haben. Nach einer quälend langen Phase der parteiinternen Konflikte, einem entgleisten Nationalratswahlkampf und dem Verlust der Kanzlerschaft beginnt nun für Michael Häupls Nachfolger der Wiederaufbau der zuletzt deutlich demoralisierten Bewegung.

Dabei dreht sich für die SPÖ in erster Line alles um ihre weitere Bedeutung und ihren Einfluss in der Bundeshauptstadt, die als eine der letzten roten Bastionen gilt. Parallel dazu geht es um die politische Ausrichtung und damit um die Zukunft der aus vielen selbst verschuldeten Gründen ins Trudeln geratenen Partei. Als historisch geschulter und im Apparat des Wiener Rathauses gestählter Pragmatiker bringt Michael Ludwig die besten Voraussetzungen für diese Herausforderung mit. Handwerkliches Können alleine wird freilich nicht ausreichen.

Wiens neuer SPÖ-Chef und damit wohl nächster Wiener Bürgermeister hat Partei und Stadt nicht nur mit zeitgemäßen Strategien zu beleben. Um dauerhaft Erfolg haben zu können, muss Ludwig vor allem die bösen Geister aus sämtlichen Lagern loswerden. Nun hat sich mit Michael Ludwigs deutlichem Wahlsieg die Parteibasis gegen die sich seit rund zwei Jahrzehnten an Geltung und Macht klammernden Apparatschiks durchgesetzt. Und das wäre schon einmal die ideale Grundlage für eine inhaltliche und personelle Erneuerung der SPÖ.

Kronen Zeitung

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