Debatte um Abschaffung

Die Tücken bei der Notstandshilfe

Österreich
13.01.2018 07:11

Wer bei uns arbeitslos wird, bekommt nicht viel Geld, aber das dafür relativ lang. Die Diskussion der vergangenen Tage war heftig, ein Ergebnis gab es vorerst nicht: Erst bis Jahresende soll es einen Vorschlag der Regierung zur Reform von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe geben.

Derzeit bekommt jemand, der in Österreich arbeitslos wird, eine "Nettoersatzrate" im Vergleich zu seinem letzten Lohn von 55 Prozent. "Im internationalen Vergleich ist das nicht besonders viel", erklärt Helmut Hofer, Arbeitsmarktexperte des Institus für höhere Studien (IHS). Im Schnitt macht es bei uns 941,30 Euro aus, der Höchstbetrag lag zuletzt bei 1634,70 Euro. Arbeitslosengeld (ALG) darf man maximal ein Jahr beziehen, danach gibt es die Notstandshilfe, deren Höhe 95 Prozent des ALG ausmacht. Sie wird in Wahrheit unbefristet gewährt, wenn man "arbeitswillig" ist, was das Arbeitsmarktservice kontrolliert.

Degressives Modell "verstärkt die Saisonarbeit"
Im Regierungsprogramm wird sinngemäß ausgeführt, dass man das "degressiver" gestalten will, also am Anfang mehr, am Ende weniger Geld. Das soll dazu führen, dass Jobangebote häufiger angenommen werden, weil heute der Anreiz, eine Beschäftigung anzunehmen, manchmal zu gering sei. "Das kann man so sehen, aber es ist nicht das Hauptproblem auf unserem Arbeitsmarkt", ist Hofer skeptisch. Seine Argumente: Wenn man in den ersten Monaten mehr Arbeitslosengeld zahlt, ist das indirekt eine Förderung der Saisonarbeiter (Bau, Tourismus), die zwar öfter, aber kurz ohne Job sind.

Ältere Arbeitslose haben künftig bessere Jobchancen
Bei Langzeitarbeitslosen (länger als ein Jahr ohne Beschäftigung) sei die fehlende Qualifikation der Hauptgrund für das Scheitern der Vermittlung. Hofer: "Es gibt schon Argumente dafür, mit zunehmender Dauer die Geldmittel zu kürzen, doch man könnte es auch mit dem Ausbau der Qualifizierungshilfen und den bestehenden Sanktionen durch das AMS versuchen." Außerdem würden ältere Arbeitslose künftig wieder bessere Jobchancen haben, weil "es einfach zu wenig Junge geben wird". Für vernünftig hält Hofer die Idee, die zumutbaren Wegzeiten auszubauen (laut Regierung von eineinhalb auf zwei Stunden für Hin- und Rückfahrt) oder die Notstandshilfe nicht unabhängig vom Partnereinkommen auszuzahlen (das wurde von SPÖ/ÖVP vor der Wahl noch beschlossen).

Vier Milliarden Euro für Notstandshilfe und Arbeitslosengeld
Für Arbeitslosengeld und Notstandshilfe gaben wir im Vorjahr rund vier Milliarden Euro aus. Die große finanzielle Ersparnis sieht Hofer nicht, auch wenn es zu Kürzungen bei längerem Bezug käme. Die heikle Frage, ab wann man in die Mindestsicherung fallen würde, wurde vertagt. Im Unterschied zur Notstandshilfe würden die Zeiten dort nicht für die Pension angerechnet. Eine Studie des Europäischen Zentrums für Sozialforschung errechnete zwar, dass man so einige Hundert Millionen Euro sparen könnte, sie warnt aber gleichzeitig davor, dass sich für rund 100.000 Menschen die Armutsgefährdung erhöhe, mit "nicht abschätzbaren gesellschaftlichen Folgekosten".

Manfred Schumi, Kronen Zeitung

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