Notstandshilfe-Aus:

Nun interner Widerstand gegen ÖVP-FPÖ-Pläne

Österreich
10.01.2018 12:45

Verschiebung der Notstandshilfe in die Mindestsicherung und Zugriff auf das Vermögen von Arbeitslosen: Auf diese Vorhaben haben sich Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) am MIttwoch festgelegt. Das genaue Konzept soll bis Jahresende erarbeitet werden. Doch mittlerweile regt sich sogar interner Widerstand gegen die Pläne der türkis-blauen Regierungsspitze. Nachdem bereits Sozialministerin Beate Hartinger (FPÖ) einen Vermögenszugriff ausgeschlossen hatte, übten nun auch Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) sowie die FPÖ-Chefs aus Tirol und Kärnten. In beiden Bundesländern stehen im Frühjahr Landtagswahlen an. 

"Ich halte das nicht für zielführend", sagte Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger am Mittwoch. Statt jemandem etwas wegzunehmen, müsse danach getrachtet werden, die Menschen schnell wieder in den Arbeitsprozess zu bekommen. Das derzeitige Sozialsystem müsse jedenfalls "treffsicherer" gemacht werden, meinte Abwerzger. Er zeigte sich aber zuversichtlich, dass die Regierung eine "gute Lösung" finden werde. 

Darmann: "Bei FPÖ-Beteiligung in Landesregierung wird es das nicht geben"
In dieselbe Kerbe schlug die Kärntner FPÖ-Landesgruppe mit ihrem Chef Gernot Darmann an der Spitze." Man lehne einen Zugriff auf das Vermögen von Arbeitslosen strikt ab.  Bei einer FPÖ-Beteiligung in der Kärntner Landesregierung wird es das nicht geben", meinte Darmann am MIttwoch in der Aussendung. Interessant: Christian Leyroutz, FPÖ-Klubobmann im Kärntner Landtag, sagte wiederum, man könne sich einen Vermögenszugriff nur in "Extremfällen", in denen die Mindestsicherung missbraucht werde, vorstellen. 

Wallner: "Sehe dadurch keinen Vorteil, nur eine Umverteilung der Lasten"
Bereits am Dienstag hatte Vorarlbergs Landeshauptmann Wallner einer "einseitigen Verschiebung" der Notstandshilfe in die Mindestsicherung eine klare Absage erteilt. Das komme für ihn nicht infrage, betonte Wallner nach der Sitzung der Vorarlberger Landesregierung. Er würde in einem solchen Schritt keinen Vorteil, sondern lediglich eine Umverteilung der Lasten sehen. Das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe seien nämlich Leistungen des Bundes, für die Mindestsicherung kommen hingegen die Länder und auch die Gemeinden auf, so Wallner. Der Regierungschef stellte aber auch fest, dass ihm "die neue Struktur des Arbeitslosengeldes noch nicht klar ist". Man werde abwarten müssen, welchen Vorschlag Sozialministerin Beate Hartinger (FPÖ) letztlich auf den Tisch legen werde.

Regierungsspitze: Hartz-IV-Modell wird nicht kommen
Bei Arbeitslosen wird künftig auf ihr Vermögen zugegriffen werden können, allerdings nur bei jenen, die erst kurz ins System einzahlen und sich "durchschummeln" wollen. Mit dieser Festlegung hat die Regierungsspitze am Mittwoch versucht, die Diskussion über die Einführung eines Hartz IV-Modells in Österreich zu beenden. Das genaue Konzept soll bis Jahresende erarbeitet werden. Grundsätzlich sieht das Regierungsprogramm vor, dass das Arbeitslosengeld in Zukunft degressiv gestaltet sein soll. Je länger man ohne Job ist, umso geringer soll die Leistung ausfallen. Die Notstandshilfe soll abgeschafft werden, womit ein Rückfall in die Mindestsicherung möglich ist. Streitpunkt war nun, ob wie bei der Mindestsicherung auf das Vermögen der Betroffenen zugegriffen werden kann.

Häupl: "Kriegserklärung gegen die Armen"
Vor allem die SPÖ macht gegen das geplante aus der Notstandshilfe von ÖVP und FPÖ mobil. Diese Regierungserklärung sei eine Kriegserklärung gegen die Armen, wetterte Wiens Bürgermeister Häupl. Er warnte erneut vor einem Ansteigen der Obdachlosigkeit und der Kriminalität in den Städten - etwa durch die angekündigte Neuregelung in Sachen Arbeitslosenunterstützung. Häupl kritisierte etwa die geplante Streichung der Notstandshilfe, die durch die Mindestsicherung ersetzt werden soll. Statt einer Versicherungsleistung komme eine Sozialleistung, die für die Grundbedürfnisse des Lebens gedacht sei. Bereits am Dienstag hatte ÖGB-Präsident Erich Foglar das Vorhaben der türkis-blauen Regierung "schlicht und einfach asozial" genannt.

Häupl stößt sich auch an der Tatsache, dass für letztere die Länder zuständig sind. Er rechnet hier mit Widerstand auch der anderen Länderchefs: "Das ist eine Sache, die kann sich niemand gefallen lassen - egal, ob das ein roter oder ein schwarzer Landeshauptmann ist." Häupl kündigte an, dieses Thema auch bei der nächsten Landeshauptleutekonferenz aufs Tapet zu bringen. Sie wird im Mai in Wien - das im ersten Halbjahr den Vorsitz in der LH-Konferenz innehat - stattfinden. Auch im Städtebund will Häupl die Regierungsvorhaben besprechen.

Ex-Sozialminister Stöger: "Diesen Stil haben sich die Österreiche nicht verdient"
Auch SPÖ-Nationalratsabgeordneter Alois Stöger zeigte sich schockiert von den türkis-blauene Plänen. "Nicht nur die Koalitionsparteien, auch die 167.000 Bezieher der Notstandshilfe wissen derzeit nicht wie es weitergeht. Bekommen sie Arbeitslosengeld Neu, wird die Notstandshilfe weitergezahlt, ein Hartz-IV-Modell eingeführt und müssen sie dann um Mindestsicherung ansuchen? Im Sinne dieser Menschen fordere ich die Bundesregierung auf, das Chaos endlich zu beenden. Diesen neuen Stil haben sich die Österreicher nicht verdient“, so der ehemalige Sozialminister.

Kaiser: "In Kärnten würden 10.000 Menschen in Mindestsicherung gedrängt"
Auch Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) hat sich am Mittwoch via Aussendung in die Debatte eingeschaltet. Gemeinsam mit Städtebund-Obfrau Maria-Luise Mathiaschitz und Gemeindebundpräsident Peter Stauber (beide SPÖ) warnte er vor einer Kostenumverteilung sowie zunehmender Armut. In Kärnten würden so fast 10.000 Menschen in die Mindestsicherung gedrängt, so Kaiser.

"Für sie und ihre Familien würde das bedeuten, dass ihnen nahezu alles, was sie sich in ihrem Leben ehrlich erarbeitet haben - Auto, Haus, Wohnung, Erspartes - weggenommen werden würde." Den Regierungsparteien wirft Kaiser den Versuch vor, die Bundesländer finanziell "auszubluten", weil diese mit den Städten und Gemeinden für die Mindestsicherung aufkommen müssen.

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